Die Stasi Lebt
es ihr aber nicht gesagt«. In Klammern gesprochen fügt er hinzu: »Sie hat auch nicht danach gefragt.« Dies habe er inzwischen ihrem Anwalt offenbart. Menge schiebt nach: Die im Bericht erwähnte »Verpflichtung« habe er nie ausgesprochen.
Ob die Prominente nicht stutzig geworden sei, weil der vorgebliche Polizist Holm sie häufig sprechen wollte? Und nie im Büro der Kripo. Es ist nicht so, dass solche Zwischenrufe einen Geheimdienstveteranen wie ihn aus der Spur tragen. Man könnte den Eindruck haben, der sphinxhafte Menge genieße fast das alte Verwirrspiel. Na ja, sagt er und bläst die Backen: Man habe »so einen Spagat gemacht«, das Ganze solle einen »vertraulichen Rahmen« haben. Schließlich war die Gröllmann nicht irgendwer.
Wie man sich dann die Tonbandabschrift en erklären solle, die sich in der Akte »Jeanne« häufen, wollen wir unbedingt noch hören. Manche Gespräche habe man heimlich mitgeschnitten.
Wie James Bond spricht Menge von einem Mikrofon in einem Kugelschreiber, »Stuzzi« genannt, wenn er es recht erinnere. Das Aufnahmegerät sei nicht größer als die Handfläche gewesen, er zeigt sie her. Unter die Protokolle setzte er gleichwohl ein »gesprochen ›Jeanne‹« und meldete: »Zusammenarbeit verlief ohne erkennbare Probleme.«
Die Stasi hatte ihr böses Auge auf Gröllmann geworfen, weil sie in Ostberlin akkreditierte BRD-Journalisten kannte. Unter »Geplante Einsatzrichtung« tippte Menge mit hartem Anschlag, dass es fast das Papier durchstanzte: »Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die Kandidatin mehrere Kontakte zu vorgangsmäßig bearbeiteten BRD-Korrespondenten unterhält.« Diese Kontakte sollten beibehalten und »zur weiteren Aufklärung und Kontrolle dieser Korrespondenten … genutzt werden«. Die Stasi war scharf auf Infos über den namhaft en Redakteur P. von der »Süddeutschen«, später »Stern«. Für die Stasi war er »Starnberg«.
Sieht man davon ab, dass IM-Akten oft etwas für Liebhaber absurden Theaters sind, wäre jede »Jeanne«-Notiz von Menge so bedeutungsvoll wie unsinnig, stünde da nicht ausdrücklich, »der IM belastete Personen«. Mal ging es um Sexuelles – »ist lesbisch« –, mal um die Frage, wer vom Gorki-Ensemble ein Gastspiel beim Klassenfeind in der BRD zur Republikflucht nutzen könnte. Keinesfalls Regisseur Thomas Langhoff, der kehre laut IM »auf jeden Fall« wieder in die DDR zurück, »da er genügend Privilegien besitzt«.
Ausdrücklich betont Menge 1983, dass »der Lebenskamerad nicht von der Zusammenarbeit mit dem MfS erfahren darf«. Gemeint war Ulrich Mühe. Das Rätsel, warum er den Hinweis gab, obwohl die Gröllmann nach seinen Worten doch überhaupt nichts von seiner Funktion bei der Stasi wusste, kann auch der beredte Experte nicht auflösen. Im November 1989 kommt dieAkte erneut auf Mühe zurück: Vor ihm »wahrte der IM konsequent die Konspiration, da dieser das MfS und dessen Tätigkeit generell ablehnte«. Wer will, mag das als Manifestation ihrer Liebe nehmen, aber auch dafür, dass in der Ehe jedenfalls einer strikt die Stasi verachtete.
In der Rückblende wäre diese Geschichte vielleicht sentimental – die Geschichte einer Frau, die um ihre verlorene Ehre kämpft. Im Kern ist es jedoch mehr noch eine über das perverse Stasi-System. Menge findet offensichtlich nichts dabei, eine Täuschung inszeniert zu haben, die viel Unheil anrichtete, sondern fühlt sich 2006 zum Beschützer berufen: Er sei es ja nicht gewesen, der die Sache publiziert habe. »Sie hat mir vertraut, dass wir sie nicht hintergehen. Und das haben wir auch nicht.« Ein unfreiwillig-verräterischer Satz. Dabei zeigte die Stasi nicht mal Respekt vor ihrer Kunst. »Nur durchschnittlich begabt«, vermerken Papiere. Und: »In moralischer Beziehung hat sich Jenny Gröllmann bisher nicht an sozialistische Normen gehalten.« Laut Kaderakte hatte Menge selbst Probleme damit.
Nun ist die Lage einigermaßen verworren. Da gibt es für »Jeanne« jetzt einen Persilschein durch MfSler Menge. Der hat es im Dienst auch sonst mit der Wahrheit nicht so genau genommen, um das Mindeste zu sagen. Und warum sollte die Entlastung kein Ablenkungsmanöver sein, die einer neuen Legende Vorschub leistet, schließlich war er in »der Abwehr feindlicher Angriffe gegen das MfS« versiert. Menge klingt beleidigt, als man ihn anruft, um sich zu vergewissern, ob er seine Aussage notfalls beeiden würde: »Hab ick doch gesagt!« Erst wenn es zum Schwur kommt, wird sich zeigen,
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