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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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62 Jahre alt, trägt Jeans und einen zu warmen Rolli für diesen Tag. Der frühere Referatsleiter in Mielkes Spionageabwehr führte bis zur Wende einen Vorgang, der momentan für Schlagzeilen sorgt. Es ist das bei der Gauck-Behörde gefundene Dossier »Jeanne«, in Menges Klartext lautet es auf den Namen der film- und fernsehbekannten Schauspielerin Jenny Gröllmann. Beendet am 17. November ’89 durch Menge. Ihr gegenüber nannte er sich »Helmut Holm«.
    Nach seinen Aufschrieben soll bei der Stasi die Rolle des »IM Jeanne« also mit der gleichermaßen beliebten wie populären Gröllmann besetzt gewesen sein. Ihr späterer Ehemann UlrichMühe schrieb 2004 in dem Essay »Wer verzweifelt, hat das irgendwo gelernt« bitter: »Während der ganzen Zeit kooperierte meine Ehefrau mit der Stasi.«
    Zunächst ist die Akte XV/2807/79, in der Jenny Gröllmann von dem Major als »IM« geführt und tituliert wird, in jedem Detail ein Dokument über die Unheimlichkeit der Zeit. Würden nämlich seine Papiere die Wahrheit sagen, wären die Aufstiegsjahre der Gröllmann zugleich Jahre des Spitzelns gewesen. Der ergraute Menge, mit dem für seine Profession vorteilhaft unauffälligen Aussehen, rühmte sich anno ’80 beim MfS in einer von Eitelkeit nicht freien Prosa der Eroberung. Beim Gespräch raunzt er jetzt, es habe prominentere gegeben. Seite für Seite tut der Aktenführer so, als habe sich die Auserwählte als willige Helferin seinen dunklen Wünschen gefügt.
    »IM ließ keinen Zweifel an der Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem MfS«, Notiz nach zwei Treffen im Juni 1981 in der Adresse »Süd-Ost«, Dauer je 90 Minuten. Es handelte sich nach seinen Worten um eine konspirative Wohnung in der Leninallee, auf Menges Tarnnamen »Helmut Holm« umgeschrieben. Oder: »Berichterstattung des IM ist als ehrlich und gewissenhaft zu bewerten.« Oder: »Die Überprüfungen ergaben seine … Zuverlässigkeit und die wahrheitsgetreue Berichterstattung.« Geradezu lapidar klingt der Stasi-Offizier in seinem Ansinnen, »Prüfung der direkten Einsatzmöglichkeiten des IM zur operativen Bearbeitung des Journalisten …«.
    Damals spielte die bewunderte Jenny am Maxim Gorki Theater. Gelegentlich schaute ihr Menge alias Holm sogar zu. Eine Metropolenattraktion, ein Foto mit Ehemann Ulrich Mühe zeigt 1987 den Tollen neben der Schönen, den Feinnervigen neben der Sinnlichen. Auf einem von der Stasi archivierten Porträt sind ihr Kussmund und die erprobten Leinwandaugen gut zu erkennen.Stasi-Offizier Menge befasst sich außerdem »schwerpunktmäßig mit der Entlarvung von Feinden«, kassiert Prämien, unter anderem für die »Bekämpfung von Menschenhändlern«, Fluchthelfern. Zu seinen Spezialitäten zählte die »Einleitung kompromittierender Maßnahmen« gegen Westjournalisten in Ostberlin.
    Gröllmann spielte im Streifen »Dein unbekannter Bruder« mit. Es ist schon die Epoche, in der Stasi-Menge laut eigener Dokumentation im Hintergrund den Großen Bruder gegeben haben will. Agentenkino? 1983 dreht der DDR-Star den Film »Es geht einer vor die Hunde«. Menge absolviert den Qualifizierungslehrgang »Zusammenarbeit mit IM«.
    Seine Kaderakte entlarvt en passant einen Mann gepflegter Feindbilder, verbiestert mit »Angriffsrichtungen imperialistischer Geheimdienste« beschäftigt. Der Führungsoffizier war bekannt für »ständige Suche nach geeigneten Kandidaten für die IM-Arbeit«, urteilen Vorgesetzte. Der gelernte »Oberstufenlehrer für Körpererziehung« studierte noch »Fachschuljurist« an der Stasi-Hochschule, 150-prozentige Linientreue war verlangt. Nennt man ihn am Bistrotisch einen »Hardliner«, weiß man nicht, ob er beschämt oder geschmeichelt lächelt: »Finden Sie?« Begonnen hatte er als Trainer an der Kinder- und Jugendsportschule Frankfurt (Oder), Moderner Fünfkampf.
    Der MfS-Offizier meldet in Sachen Gröllmann nach oben, »die Kandidatin« habe das Pseudonym »Jeanne« nach dem Namen ihrer Tochter selbst gewählt. Zuerst tauchte sie in Menges in winziger Handschrift verfasster Chronologie mit dem vorläufigen Decknamen »Grille« auf. Keine Ahnung, grummelt er, wer darauf gekommen sei. Auf Seite 276 seines Faszikels ist der für die Stasi wohl entscheidende Treff vermerkt: 20. September 1979 im Objekt »Kastell«, einem Stasi-Haus in bester Lage am PankowerMajakowskiring 31. Direkt neben der Villa Piecks, als »Versorgungseinrichtung Ministerrat der DDR« getarnt.
    Man hat von der Gauck-Behörde etwa 150 Blatt Akte

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