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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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jemand, der einen verlässt, nie den Anstand hat, die Miete und die überfällige Stromrechnung zu bezahlen, den Wecker aufzuziehen, das Bügeleisen auszuschalten, die Tagesdecke über die Matratze auszubreiten und sie glatt zu streichen, bevor er geht. Er verschwindet einfach ohne auch nur ein Wort des Abschieds und überlässt es anderen, die Probleme zu regeln, die gemeinhin als „das Leben“ bezeichnet werden.
    Genau so ein Feigling war Victor – er setzte sich einfach ab, ohne Zahnbürste, ohne Rasierer und ohne Unterwäsche zum Wechseln. Er konnte nicht mal einen Tag abwarten, einen einzigen Tag, bis sein Baby kam. Und jetzt hatte Violet die Juniorversion von Victor am Hals, nur dass Eddie, wie es auf Hindi so schön heißt, „sabkaa baap“ war. Ja, Eddie war ihr aller Vater. Violet war sicher, dass er seinem eigenen Papa noch einiges hätte beibringen können.
    Sie hatte es längst aufgegeben, sich zu fragen, was sie falsch gemacht hatte. Ihr Glaube gestattete ihr nicht zu lästern, aber wenn ihr Jesus zufällig über den Weg gelaufen wäre, hätte sie ihm gern ein paar ernste Fragen gestellt, und er wäre gut beraten gewesen, überzeugende Antworten parat zu haben. Aber das konnte warten. Fürs Erste hatte sie Dringenderes zu erledigen.
    Violet sah, wie ihr Sohn auf der Polizeiwache in Handschellen hereingebracht wurde, und das Blut gefror ihr in den Adern und nahm eine bleiche Todesfarbe an. Eddie versuchte, sich hinter dem Polizisten zu verstecken, der ihn aus seiner Zelle geführt hatte. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, und sein Bartschatten schien sich nicht nur auf Kinn und Wangen zu beschränken, sondern über sein ganzes Gesicht ausgebreitet zu haben, besonders um seine Augen herum.
    Was tat er hier in einer Polizeizelle, ihr eigen Fleisch und Blut? Sollte sie sich eines der Gewehre in dem Gestell hinten an der Wand greifen, die Polizisten mit dem Bajonett abstechen und mit ihrem Sohn fliehen? Oder sollte sie die Klinge zweiundsiebzig Mal in diesen erwachsenen Mann rammen, den sie neun Monate lang in ihrem Schoß getragen und weitere neun an ihrer Brust gesäugt hatte?
    â€žMit welcher Begründung haben Sie ihn festgenommen?“
    â€žNa, was glauben Sie wohl? Ach, hören Sie auf, so zu tun, als wüssten Sie es nicht! Wegen Alkoholschmuggels und Betreibens eines Auntie-Lokals.“
    In welcher Sprache redete der Inspector eigentlich? Die Worte klangen Violet vertraut, aber sie begriff nicht, was sie bedeuteten, und sie fragte sich, warum er so beleidigend war.
    â€žDa muss ein Irrtum vorliegen“, sagte sie. „Mein Sohn ist Automechaniker. Er arbeitet zu jeder Tages- und Nachtzeit!“
    â€žJa, ich weiß. Von fünf Uhr abends bis Mitternacht. Komische Arbeitszeiten für einen Automechaniker, meinen Sie nicht auch?“
    Pieta nahm ihre Mutter beiseite und drängte sie, sich auf einen Stuhl zu setzen, und sagte zu ihr, sie möchte sich nicht um den Inspector kümmern, er habe offensichtlich seine gehässige Freude daran, Menschen wehzutun. Violet sah ihrer Tochter zu, wie sie die Kautionserklärung ausfüllte, und sagte sich, dass Pieta absolut danebenlag. Inspector Gupte war ihr vollkommen gleichgültig; es war ihr Sohn, der sie seit dem Tag seiner Geburt geplagt und gequält hatte. Er hatte sie wieder einmal zum Narren gemacht. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, betrieb er auch noch eine Auntie-Kneipe. Das war die Sorte von Lokal, in die dieser widerliche Mensch von Nr. 63, Mr Mendez, jeden Abend ging, um sich volllaufen zu lassen, und dann heimkehrte, um durch sein Gebrüll und Gegröle andere um ihre Nachtruhe zu bringen. Vielleicht war es Eddie, der den verbotenen Alkohol in sein Glas goss. Ja, es war ihr Sohn: ein Kellner, der Mr Mendez’ Erbrochenes und Spucke aufwischen musste!
    Sie konnte schon die Schadenfreude in den Augen ihrer Nachbarinnen sehen. Die Neuigkeit hatte sicher bereits die Runde gemacht. Sie hatten sie von jeher für hochnäsig, überheblich und selbstgerecht gehalten. Vergeblich hatten sie all die Jahre auf ihre wohlverdiente Strafe gewartet, ohne zu erkennen, dass sie in Eddie einen verlässlichen Verbündeten hatten. Er hatte sich wahrhaft alle Mühe gegeben, ihnen etwas zu liefern, worüber sie sich das Maul zerreißen konnten, etwas so Schändliches, dass sie es sich selbst in ihren ausschweifendsten

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