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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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der zum Wäscheaufhängen benutzt wurde, richtete ihn auf Pieta und schoss sie tot, um dann die ermordete Tochter tränenreich zu beweinen, während er gleichzeitig beteuerte, die Ehre der Familie gerettet zu haben. Großmutter bat ihn oft, Rhett Butler in der Schlussszene von „Vom Winde verweht“ zu spielen, und er spielte beide, Scarlett und Rhett Butler, und schloss mit Gables denkwürdigen letzten Worten: „Offen gesagt, ist mir das gleichgültig“, denen er den knurrenden und brüllenden MGM -Löwen folgen ließ. Selbst Violet, die normalerweise so tat, als ließe Eddies überspannte Spielweise sie kalt, musste da grinsen, und einen Augenblick lang schienen die vier wieder eine richtige Familie zu sein.
    Jetzt aber lief alles auf eine schlichte Frage hinaus: Wozu das alles? Er hätte schwören können, dass er langsam überschnappte. Sein Gehirn spielte ihm die dümmsten Streiche. Er schaute die grotesk verbogenen Blätter des Deckenventilators an und meinte, dass sein Lehrer, Mr Lobo, ihm das Ohr noch ein paar zusätzliche Male verdrehte, weil er die französischen Wörter für „Vater“ und „Mutter“ – „père“ und „mère“ – wie „piri“ und „miri“ ausgesprochen hatte. Stundenlang starrte er ins Leere und war davon überzeugt, die Gesamtsumme von null zu sein. Was hatte es noch für einen Sinn zu leben, fragte er sich, wenn man nichts, die große Null, geworden war?

    An dem Tag, an dem Belle die Festanstellung und eine Gehaltserhöhung bekam, war für Eddie der letzte Weckruf fällig.
    â€žHey, Prince of Wales, noch zwei Monate, und du bist auf dich allein gestellt.“
    â€žWas soll das heißen, auf mich allein gestellt?“
    â€žWenn du willst, dass die glücklichen Zeiten andauern, besorgst du dir entweder einen Job als Schauspieler – oder was auch immer –, oder du legst dir eine reiche junge Witwe zu, die für dich sorgt.“
    â€žHast du vor zu kündigen?“
    â€žNein, ich fang an, dir zu kündigen. Zehn Monate lang hast du nichts getan, als über deine abweisende Mama zu trauern und zu jammern, was für miese Karten dir das Schicksal gegeben hat. Sag, was du willst, aber du bist dein Leben lang ein Muttersöhnchen gewesen. Wird langsam Zeit, dass du die Nabelschnur durchschneidest und deinen eigenen Weg gehst.“
    â€žWarum sagst du nicht gleich, dass du nichts mehr von mir willst?“
    â€žAch Eddie, mach’s dir nicht so leicht mit dieser Märtyrernummer! Ich kenne niemanden, der so viel Musik und so viel Talent in sich hat wie du – und ich meine nicht nur die Fische in unserem Bombayer Teich. Selbst meine Mutter, die eine Heidenangst hat, dass ich mit dir durchbrennen könnte, muss zugeben, dass du wirklich was drauf hast. Aber Selbstmitleid führt weder dich noch mich irgendwohin. Es hat keinen Sinn, angeblichen Chancen im Ausland nachzujammern. Du bist hier geboren; du solltest das allmählich akzeptieren und das Beste daraus machen. Ich werde auf jedem Schritt des Weges an deiner Seite sein.“
    â€žDu liebst mich nicht mehr.“
    â€žGlaub mir, ich tu es. Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um mich zu diesem Vortrag durchzuringen.“

13
    â€žHey, wo fährst du hin? Ich hab gesagt, ich will zur Carmichael Road, also was zum Teufel tun wir auf der Nepean Sea Road? Kennst du dich in Süd-Bombay nicht aus? Oder glaubst du, ich bin neu in der Stadt und du könntest mich spazieren fahren?“
    Ravan schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, ich dachte, Sie hätten Nepean Sea Road gesagt.“
    â€žRed keinen Stuss! Dreh auf der Stelle um, oder ich schleif dich zur nächsten Polizeiwache!“
    Das passierte Ravan neuerdings öfter: Er fuhr jemanden nach Andheri, Kurla oder Churchgate und imaginierte dabei etwas, das in einem dunklen Zimmer auf einem Bett lag, beleuchtet von einer einzigen schwachen Birne. Dann kniff er die Augen zusammen und versuchte, sie scharf zu stellen, jedoch nur halbherzig, denn eigentlich wollte er gar nichts sehen. Und schließlich hörte er eine heisere Stimme, die zu ihm sagte: „Verschwende keine Zeit. Schaff sie endlich hier weg!“ Und ehe er sich’s versah, starrte er auf eine verwahrloste Frau, die das Laken von sich stieß, und er wandte die Augen ab, aber immer einen Sekundenbruchteil zu spät.
    Er sah, wie

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