Die Statisten - Roman

spielte auf Zeit –, „dann könnte doch jeder meiner Fahrgäste damit wegspaziert sein. Oder der Fahrer, der mich abgelöst hat, könnte ihn mitgenommen haben.“
    â€žJa, wäre möglich, aber ich hab genug von Spielchen dieser Art.“ Der Fahrgast packte Ravan an den langen Haaren und riss ihm den Kopf so abrupt zurück, dass Ravan aufschrie und das Taxi gefährlich ins Schlingern geriet.
    â€žNiemand verarscht Haji Bashir Akhtar, erst recht kein dahergelaufener Grünschnabel! Kapiert, du Arschgesicht? Wenn du dir keinen Ärger einhandeln willst, ernsthaften Ärger, dann rückst du besser das Geld raus, und zwar sofort!“
    â€žIch sag es Ihnen! Ich sag es Ihnen! Aber hören Sie auf, mich an den Haaren zu ziehen, oder ich bau noch einen Unfall!“ Wenn Haji Bashir Akhtar ihm nur verraten hätte, welchen Gang er jetzt einlegen sollte!
    Bashir Akhtar ließ Ravans Haare los. „Okay, lass hören.“
    â€žIch hab den Beutel im Fundbüro der Taxifahrergewerkschaft abgegeben.“
    Diesmal packte Bashir Akhtar Ravan nicht bei den Haaren. Er reckte sich über die Rücklehne des Vordersitzes, riss den Zündschlüssel heraus und schmetterte den Rücken derselben Hand so wuchtig gegen Ravans Kinnlade, dass er mit dem Kopf an den Rahmen knallte. Das Taxi blieb mitten im Verkehr stehen. Autos bremsten kreischend und kamen ins Schleudern, und Taxifahrer bezichtigten Ravan der Ausübung unaussprechlicher Akte mit seiner Mutter und Schwester. Ohne auf die allgemeine Aufmerksamkeit zu achten, nahm Bashir Akhtar Ravan mit dem rechten Arm in den Schwitzkasten und zerrte ihn hoch, bis er wie ein Wäschestück über der Rücklehne seines Sitzes hing. Bevor Ravan um Hilfe schreien oder um Gnade flehen konnte, war er gegen die Windschutzscheibe geschleudert und wieder zurückgerissen worden. Jetzt starrte er, den Kopf nach unten, in Bashirs Gesicht.
    â€žSoll ich weitermachen?“
    Ravan brauchte eine Weile, um das Zittern zu unterdrücken, das durch seinen Körper lief, aber als es sich halbwegs beruhigt hatte, schaffte er es, fünf Worte herauszubringen.
    â€žIch geb Ihnen das Geld.“
    â€žWann?“
    â€žSobald wir bei mir zu Hause sind.“
    â€žUnd die Goldkekse?“
    â€žDie auch.“

    Was sollte er machen? Oh Gott, was sollte er bloß machen? Wie sollte er den fehlenden Betrag erklären? Wichtiger noch – wie sollte er ihn zurückzahlen? Ravan spähte aus dem Küchenfenster. Haji Bashir Akhtar stand neben dem Taxi und wartete auf ihn. Vielleicht sollte er einfach auf die Fensterbank klettern, die Augen schließen und springen.
    â€žWer ist da?“, schrie Parvati-bai aus dem kleinen Abstellraum, der als Badezimmer fungierte. Gott sei Dank wusch sich seine Mutter gerade, um zur Abend- aarti in den Tempel zu gehen. Sonst hätte er sich einer Breitseite von Fragen stellen müssen zum Thema, was er denn ausgerechnet zur besten Geschäftszeit zu Hause tue. Und noch schlimmer, sie hätte ihn dabei ertappt, wie er im Schrank herumkramte, und ihm ein Geständnis abgepresst. Ravan schob seine Hand in die Falte der dritten Hose von unten und zog den Lederbeutel heraus. Wie immer hätte es für Shankar-rao eine zu große Anstrengung bedeutet, die Augen zu heben und die Anwesenheit seines Sohnes zur Kenntnis zu nehmen.
    Ravan stieg hinauf zu Pietas Etage und dann weiter auf die Dachterrasse. An der Rückseite des Gebäudes gab es eine schmiedeeiserne Wendeltreppe, die als Feuerleiter diente. Sie war praktisch unbenutzbar. Alle paar Meter fehlten eine oder zwei Stufen, und der Rostüberzug war derart trügerisch, dass stellenweise ein falscher Tritt genügte, und man sauste auf direktem Wege fünf Stockwerke hinunter in den Tod. Aber was blieb ihm für eine andere Wahl? Er würde jede einzelne Stufe zuerst vorsichtig mit der Fußspitze abtasten müssen, Schritt für Schritt hinuntersteigen und das Beste hoffen. Ravan hielt sich am Eisengeländer fest und starrte während des Abstiegs auf die Hauswand.
    Es war ein einmaliges Erlebnis, das Ravan allerdings nicht uneingeschränkt genoss. Zwei Mal ging es um ein Haar schief, und als er versuchte, einen Sturz über neun Stufen hinweg abzufangen, und nur noch am Geländer baumelte, hatte er sich die Hand bis zum Knochen aufgerissen. Sie blutete stark, als er die letzten viereinhalb Meter hinuntersprang; für