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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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um das Blut abzuholen. Was konnte es schon nutzen, wenn er Shiva anflehte, Pieta zu retten? Sie war ja katholisch; wäre es nicht ungehörig und kontraproduktiv, einen hinduistischen Gott zu bitten, ihretwegen zu intervenieren? Vielleicht wäre es vernünftiger gewesen, seine Gebete an Jesus zu richten. Aber damit hätte er das gleiche Problem gehabt, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Er beschloss, keine Risiken einzugehen und zu beiden, Christus und Shiva, zu beten.
    Anderthalb Tage später stand es immer noch auf der Kippe. Wozu betete er, da er doch wusste, dass auch Götter versagten? Was würde er Pietas Mutter, ihrem Bruder Eddie und der Großmutter sagen? Sie würden ihm vorwerfen, sie geschwängert und danach umgebracht zu haben. Aber was würde es schon für eine Rolle spielen, was sie sagten, wenn Pieta nicht mehr lebte?
    Als Ravan am nächsten Nachmittag Pietas Zimmer betrat, wandte sie den Kopf ab.
    â€žSoll ich Ihrer Mutter sagen, dass es Ihnen gut geht und dass Sie bald wieder nach Hause kommen?“
    â€žNein.“ Ihre Stimme war fast nicht zu hören. „Ich hatte ihr schon gesagt, dass ich vielleicht ein paar Tage weg sein würde.“
    Und das war’s. Alles, was es zu sagen gab, war gesagt worden. Ravan kam sich vor wie ein Kleindarsteller in einem Film. Er hatte seinen Part gespielt; nun wurde er nicht mehr benötigt. Es würde für alle Beteiligten eine große Erleichterung bedeuten, wenn er und jegliche Erinnerung an ihn jetzt spurlos verschwinden würden.

    â€ž CWD -Chawl Nr. 17, Mazagaon.“
    â€žWohin?“ Wie war der Mann in das Taxi eingestiegen, ohne dass Ravan etwas davon mitbekommen hatte? Es war unheimlich, er hatte nicht einmal die Tür zufallen hören.
    â€žBist du taub? Ich hab es gerade gesagt.“
    Ravan schaute den Fahrgast im Rückspiegel an und erstarrte.
    â€žWoher wissen Sie, wo ich wohne?“
    â€žNiemals, niemals die Augen von der Straße wenden, wie schwer die Krise oder wie unerwartet oder bizarr die Situation auch sein mag! Das wäre dann Lektion Nummer zwei, wenn ich richtig gezählt habe.“
    Ravan versuchte, den Blick wieder auf die Fahrbahn zu richten, aber seine Augen hafteten wie festgelötet am Spiegel. Der Fahrgast bedachte ihn mit einem warmen Lächeln. „Wir sind alte Bekannte, nicht? Bei unserer ersten Begegnung haben wir uns über Gänge unterhalten. Ich habe dir gesagt, dass ein Auto normalerweise fünf Gänge hat, das Leben dagegen hundert und mehr. Das war Lektion Nummer eins, richtig? Wo ist mein Geld?“
    Die zwei letzten Sätze kamen nahtlos hintereinander, ohne Pause oder Wechsel des Tons, so bekam Ravan gar nicht mit, dass der Mann die Spur gewechselt hatte.
    â€žWas für Geld?“
    â€žDu hast es vergessen? Ein Fall von selektiver Amnesie, wie ich vermute. Darf ich dein Gedächtnis auffrischen? Ich habe es vor vier Monaten in einem Lederbeutel unter dem Vordersitz deines Taxis liegen lassen. Na, klingelt es bei dir?“
    â€žFahrgäste kommen und gehen. Ich bekomme davon dreißig, manchmal vierzig am Tag rein. Und das an sechs Tagen die Woche. Glauben Sie, ich kann mich an jeden erinnern, den ich mal im Taxi hatte?“
    â€žIch verlange nicht, dass du dich an mich erinnerst. Du sollst dich nur an den Lederbeutel erinnern und ihn mir zurückgeben.“
    â€žIch weiß nicht, wovon Sie reden. Außer mir fahren zwei weitere Fahrer dieses Taxi, in zwei weiteren Schichten. Vielleicht sind Sie mit einem von denen gefahren. Und ganz ehrlich, wie können Sie wissen, dass Sie gerade bei mir eingestiegen sind? In dieser Stadt gibt es fünfzigtausend Taxis. Es könnte jedes dieser anderen neunundvierzigtausendneunhundertneunundneunzig gewesen sein. Ganz zu schweigen von den hundertfünfzigtausend Fahrern, die schichtweise an ihren Lenkrädern sitzen.“
    â€žDu bist ein richtiger Schlauberger, nicht? Aber ich weiß, dass du es warst, Ravan Pawar. Ich weiß es, und ich glaube, du weißt es auch. Könnten wir also mit diesem Blödsinn aufhören und ich mein Geld haben?“
    Wie zum Teufel hatte der Kerl seinen Namen herausgefunden? Gütiger Gott, was sollte er jetzt bloß tun? Er musste sich etwas überlegen, und zwar schnellstens. Aber sein Gehirn verweigerte den Dienst.
    â€žMal angenommen, rein theoretisch, Sie haben wirklich einen Beutel in meinem Taxi liegen lassen“ – Ravan

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