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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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Pieta erneut fortgeschafft wurde. Als er das zweite Mal vor Dr. Samants OP -Raum hatte warten müssen, war es noch viel schlimmer gewesen, schlimmer, als in der Nähe der Falkland Road im Taxi zu warten, als er noch nicht gewusst hatte, wo Pieta hingegangen war. Dieses Mal wusste er, dass sie sich direkt hinter der Tür befand, aber damit war er so klug wie zuvor. Ravan setzte sich auf das Sofa im Wartezimmer, er ging auf und ab, er machte seine Taekwondo-Übungen, er legte sich auf den Fußboden, er griff sich mit beiden Händen an den Kopf und meinte, es nicht länger aushalten zu können. Die Zeit war die chinesische Wasserfolter, jeder Tropfen dehnte sich widerwillig ins Unendliche, bevor er wie eine Bombe auf seiner Stirn aufprallte und lautlos explodierte. Aber das Abgefeimte der Folter war nicht die Tatsache, dass sein Gehirn zerfetzt oder püriert wurde, es war das Warten auf den nächsten Tropfen, das Nicht-Wissen, wann das Gummiband im Wasser reißen und der volle Schwall herunterstürzen würde.
    Dr. Samant hatte gesagt, Pieta müsse ein zweites Mal in den OP , weil sie nicht aufhörte zu bluten. Ravan hörte die Stimmen, die durch die geschlossene Tür drangen. „Sie haben versprochen, dass Sie die Praxis schließen würden. Sie haben es bei den Familiengöttern geschworen!“ Mrs Samants Stimme war nicht laut, doch die Stille der Nacht verstärkte sie. „Sie haben Ihr Versprechen gebrochen, und die Götter werden sich rächen. Das Mädchen wird sowieso sterben, das wissen Sie genauso gut wie ich. Als Krankenschwester habe ich mehr Entbindungen und Abtreibungen miterlebt als Sie. Sie wird sterben, egal, was Sie unternehmen, und man wird Sie dafür hängen, und ich werde allein und hilflos zurückbleiben, während alle unsere Nachbarn mit dem Finger auf mich zeigen und sagen werden, das ist die Frau des Mörders! Und das wird noch nicht alles sein! Alle wissen, dass ich früher Krankenschwester war, und sie werden sagen, dass ich, als Ihre Komplizin, ebenfalls gehängt werden soll!“
    â€žEs stimmt, Shalini, ich habe mein Versprechen gebrochen. Und ich bin zu alt für diese anstrengende Arbeit, auch das stimmt. Aber lieber rette ich diese junge Frau und gehe dafür in die Hölle, als dass ich den Göttern gegenüber Wort halte, die sich um sie oder sonst jemanden einen Dreck scheren!“ Dr. Samant seufzte und schwieg für einen Moment. „Aber ich fürchte, du hast recht. Sie wird sterben, und ich kann nichts dagegen tun. Verzeih mir, dass du jedes Mal, wenn jemand an der Tür klingelt, tausend Ängste wegen mir ausstehen musst. Aber geh jetzt ins Bett und überlass mich und dieses Kind unserem Schicksal, ich bitte dich!“
    Es war vier Uhr früh, als Dr. Samant Pieta auf einer Rollbahre herausschob und Ravan bat, ihm zu helfen, sie aufs Bett zu legen. „Sie sollten jetzt beten, junger Mann. Wie heißen Sie?“
    â€žRavan.“ Selbst nach all den Jahren war es ihm peinlich, seinen eigenen Namen auszusprechen.
    â€žDann sollten Sie am besten zu Shiva beten – kann sein, dass er Ihnen Gehör schenkt. Genau das hat auch Ihr Namenspatron vor zweitausend Jahren getan, oder wann immer der erste Ravan über Lanka herrschte, und der Gott hat ihm zum Lohn für seine inbrünstige Andacht eine große Gnade gewährt. Ich kann die Blutung nicht stoppen. Ich vermute, dass eine akute Sepsis vorliegt. Wenn Fäkalien eingedrungen sind, können wir mit einer Bauchfellentzündung rechnen. Und dann können ihr wohl nicht einmal mehr die Götter helfen. Ich kann keine Wunder wirken, es liegt also ganz in Ihren Händen.“
    Ravan hatte wohl verwirrt ausgesehen, denn Dr. Samant lächelte wie um Entschuldigung bittend. „Kümmern Sie sich nicht um mein Gewäsch. Es geht ihr schlecht, sehr, sehr schlecht. Ich werde einen Kollegen anrufen und ihn um drei Blutkonserven bitten. Er wird den Tag verfluchen, an dem er mein Student wurde, und erst mal nein sagen, aber dann wird er nachgeben. Ich möchte, dass Sie in die Hughes Road fahren, zum Shah Nursing Home, und die Konserven so schnell wie möglich herschaffen.“
    Ravan war schon an der Tür, als der Arzt ihn zurückrief. „Haben Sie Geld, Ravan? Ich könnte Ihnen etwas leihen.“
    Ravan nickte nur und rannte die Treppe hinunter. Zu wem sollte er beten, fragte er sich, während er zur Klinik fuhr,

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