Die Statisten - Roman
ist, sind die indische Polizei, die Mafia, die Versicherungsagenten und die Privatdetektive des Maharadschas, der den Stein zum Verkauf angeboten hatte, alle hinter den Dieben her. Raja und Rani stecken in ernsten Schwierigkeiten. Manchmal schwindeln sie sich einfach aus der Klemme, dann wieder ist es ihre Kampfkunst, die sie rettet. Und hier meldet sich erneut die Stimme aus dem Off zu quietschenden Autoreifen: âDas passiert eben, wenn man versucht, mit einem Minibudget einen Film zu drehen. Einem Mikrobudget, um exakt zu sein. Irgendwann ist dann das Ende der Fahnenstange erreicht. Für die Kampfszenen ist kein Geld mehr da. Die einzige Option ist, den Film hinzuschmeiÃen (bedeutungsvolle Pause) â es sei denn, wir können unsere unbezahlten Music Directors, Ravan und Eddie, dazu bewegen, mal eben kurz als Fight Directors einzuspringen. Absurd, sagt ihr? Ihr habt ja keine Ahnung, meine Freunde! Schaut sie euch einfach an: Die Leinwand wird bei ihren Stunts explodieren!â
Eddie und Ravan hatten es endlich geschafft. Sie wussten, dass dies ihr Moment war. Der Hindi-Film lebte von der Musik. Es waren die Songs, es war die berauschende Verbindung von Text und Melodie, die das Publikum immer und immer wieder in die Kinos lockte. Und die âWiederholungszuschauerâ waren eben das, was Filmen ihre Silver und Golden Jubilees bescherte. Ravan und Eddie mochten als Schauspieler gescheitert sein, aber ihre Musik war ein durchschlagender Erfolg. Drei Laufbahnen standen ihnen jetzt offen, als Music, Stunt und Dance Directors. Sie waren sicher, dass die Angebote ab jetzt nur noch so auf sie einprasseln und sie die freie Wahl haben würden. Sie warteten darauf, von den berühmten Regisseuren und den groÃen Produktionsfirmen bestürmt zu werden. Sie trauten sich kaum noch aus dem Haus, aus Angst, von Volksmengen umlagert zu werden, und lieÃen sich ganz bewusst in der Junior Artistes Association in Saat Rasta nicht mehr blicken. Sie brauchten jetzt nichts weiter zu tun, als still zu sitzen und auf die fetten Filmangebote zu warten.
Nicht nur Kinder, auch junge Männer und Frauen summten in den Bussen, auf der StraÃe und in den Zügen ihre Songs; Brass Bands spielten sie auf Hochzeiten; Taxifahrer drehten an ihren Kassettenrekordern die Lautstärke voll auf, wenn âHullaGullaâ losging; kein religiöses Fest, kein Geburtstag eines Gottes war in dieser Saison komplett, wenn nicht aus sämtlichen verfügbaren Lautsprechern Songs aus dem Film plärrten. Pikanterweise war âBig fishâ zur inoffiziellen Hymne nicht nur der kleinen Leute, der stets Angeschmierten, der Sündenböcke, Unterprivilegierten und Loser des Subkontinents geworden, sondern auch der Bonzen und GroÃindustriellen, die sich gern als Opfer einer Gesellschaft betrachteten, die ihren Beitrag nicht würdigte und sie mit offenkundig unfairen Steuern, Vorschriften, gebührenpflichtigen Genehmigungen und Gesetzen drangsalierte.
Als âBig fishâ Platz eins der Hitparade erreichte, meinte Eddie, es sei an der Zeit zu feiern, und lud Ravan ins Volga ein. Ravan zögerte. Er machte sich Sorgen, was es kosten würde, auch wenn Eddie ihm versicherte, der Abend gehe auf ihn. AuÃerdem wusste Ravan nicht so recht, wie man sich in einem schicken Restaurant benahm. Der nobelste Laden, in dem er bis dahin gewesen war, war das Naaz Café auf Malabar Hill. Und so einmalig seine Lage auch sein mochte, letztlich war es auch nur ein gewöhnliches, billiges Irani-Lokal. Doch Eddie blieb eisern.
âHey, Pawar, wann hatten wir zuletzt einen Hit, der es bis ganz nach oben geschafft hat? Genauer gesagt: Wann hatten wir zuletzt überhaupt etwas in der Hitparade? Wenn du nicht imstande bist, die glücklichsten Augenblicke in deinem Leben zu erkennen und dir zu gestatten, dich darüber zu freuen und zu feiern, ist das Einzige, worüber du dich wahrscheinlich noch freuen kannst, von einem Bus überfahren zu werden oder wenn deine Freundin zu dir sagt, du sollst dich verpissen, weil es einen neuen Mann in ihrem Leben gibt! Obâs dir jetzt passt oder nicht, wir gehen essen. Wird Zeit, dass du dich daran gewöhnst, in schummrige Lokale zu gehen, in denen die Schickeria speist und Wange an Wange tanzt. Im Volga spielt meistens eine interessante Combo. Wenn die was Eigenes spielen, können wir es klauen und es als unsere Komposition verkaufen. Was hältst du davon?â Eddie
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