Die Statisten - Roman
Wahl sein und im Schatten der früheren Liebe leben würde?
Ravan wagte es nicht, seinem Freund in die Augen zu sehen. Nach langer Zeit erst schien Eddie seinen Frieden mit Belles Abwesenheit gemacht und endlich akzeptiert zu haben, dass sie unwideruflich verschwunden war und nie mehr auftauchen würde. Jetzt aber war sie wieder da und sie hatte es nicht einmal für nötig befunden, ihm zu schreiben oder gar bei ihm vorbeizukommen. Ravan hatte nicht die geringste Lust, mit ansehen zu müssen, wie eine alte Wunde wieder aufgerissen wurde.
Belles nächstes Stück war etwas sonderbar gewählt. Sie sang âLoveâs a traitorâ. Der Liedtext weckte zwiespältige Erinnerungen. âKeine gröÃere Verräterin als die Liebe. Je verliebter du bist, desto mehr musst du dich vorsehen. Denn so und nicht anders ist die Liebe. Sie erwischt dich mit runtergelassener Hose. Und ist sie mit dir fertig, verschwindet sie, egal ob du mit ihr fertig bist oder nicht.â Ravan hatte das Lied noch nie gehört. Die Ironie des Textes erinnerte ihn an Asmaans Gedichte. Liebende verraten einander, oder liegt es in der Natur der Liebe selbst, weiterzuziehen und ihre Opfer hinter sich zu lassen? Im Raum saÃen ungefähr siebzig bis achtzig Leute, aber es klang, als seien es mindestens sieben- oder achthundert. Als Belle sich verbeugte und zu ihrem Tisch zurückging, kannte der Applaus keine Grenzen. Der Beifall wollte einfach nicht verstummen, und so blieb ihr keine andere Wahl, als auf die Bühne zurückzukehren. Sie nahm das Mikro und sagte: âMal sehen, ob Sie diesen Song erkennen.â
Und dann schmetterte sie âTera kya hoga Bhagvaanâ. Virendra Malaviya verzog das Gesicht, aber das Publikum rastete völlig aus.
Es zeigte sich, dass Eddie noch immer imstande war, Ravan zu überraschen. Er war so auÃer sich vor Freude, Belle zu sehen, dass er zur Bühne ging und seine ehemalige Freundin umarmte und so lange mit dem Kopf wackelte, dass man um seine Gesundheit fürchten musste.
âDas ist absolut irre!â Er versuchte, dem jungen Virendra die Hand zu schütteln. âIch weià nicht, wie ich Ihnen dafür danken kann, dass Sie Belle nach Indien zurückgebracht haben! Wir kannten uns schon als Teenager.â
âIhr Name ist Solange. Solange Harcourt.â
âSolange? Ah, ich verstehe. Solange. Echt erstklassiger Name. Aber der ist fürs Marketing, vermute ich mal. Ich kenne sie als Belle. Ich hab mich noch nicht vorgestellt. Ich heiÃe Eddie Coutinho, und das hier ist Ravan Pawar.â
Beschwipst vor Glück, beharrte Eddie darauf, gemeinsam mit allen auf einen Kaffee ins Taj gehen, um Belles Rückkehr zu feiern, obwohl Belles Begleiter schroff erwiderte, das komme überhaupt nicht in Frage. Eddie schien irgendwie nicht mitbekommen zu haben, dass Belle und der Mann im Designeranzug ein Paar waren und unter sich sein wollten.
âSag es ihm, Belle, dass wir alte Freunde sind und dass ich sehr lange auf dieses Wiedersehen gewartet habe! Das müssen Sie sich vorstellenâ, er legte den Arm um den Mann, als seien sie die besten Kumpel, âes war reiner Zufall, dass wir ins Volga gekommen sind. Wir hätten ebenso gut ins Gaylord oder Venice gehen können! Aber ich glaube nicht, dass es einfach nur Zufall war. Es war uns vorbestimmt, uns hier zu begegnen!â
âMag sein, aber ich kann Ihnen versichern, dass es sich gleich ausbegegnet hat, weil wir bereits genug von Ihnen haben.â
Belle hatte sich sichtlich unwohl gefühlt, als Eddie auftauchte, und wirkte erleichtert, als ihr Begleiter Eddies Einladung ausgeschlagen hatte, aber jetzt erschrak sie angesichts seines rüpelhaften Verhaltens und versuchte, die Sache auszubügeln. âLass es uns auf ein anderes Mal verschieben, Eddie. Bitte. Ich bin gerade zurückgekommen und der Jetlag macht mir noch zu schaffen.â
Eddie war zerknirscht, wollte aber sofort ein Datum und eine Uhrzeit festmachen. âNatürlich. Verstehe ich völlig. Sag mir einfach, wann, und wir verschwinden.â
âWarum kümmern Sie sich nicht um Ihre eigenen Angelegenheiten? Solange hat für die Dauer ihres Aufenthalts einen vollen Terminkalender.â
âKomm, wir gehen, Eddie.â Ravan spürte, dass Eddies Aufgekratztheit nachlieà und einer spürbaren Verärgerung wich.
âWarum lassen Sie sie nicht für sich selber sprechen? Ich kann
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