Die Statisten - Roman
mal ausprobieren. Ihr werdet nie wieder auch nur einen einzigen Tag arbeiten!â
Durch und durch politisch unkorrekt, trat âHullaGullaâ jedem auf die FüÃe und auf sonstige Körperteile. Raja ist Bengale, und er muss jeden, vor allem Rani, zu jeder sich bietenden Gelegenheit daran erinnern, dass die Bengalen die Krone der Menschheit sind. Er zitiert ständig Tagore, und geht ihm mal die Prosa aus, stimmt er irgendein Lied des groÃen Rabindranath an. Rani ist eine Chitpavan -Brahmanin aus Maharashtra. Wie ihre Vorfahren hat sie eine scharfe Zunge, mit der sie jeden, der sich mit ihr anlegt, zu Asche pulverisiert. Sie hört mit verzückter Aufmerksamkeit zu, wenn Raja behauptet, dass die Bengalen die Null und die Atombombe erfunden haben, besseres Englisch sprechen als die Engländer selbst, dass sie die Briten ausgetrickst und dem Subkontinent die Unabhängigkeit beschert haben. âWasâd nicht sagstâ, äfft sie dann seine bengalische Aussprache nach. âAber du hast vergessen zu erwähnen, dass auch Gott Bengale ist.â Raja bleibt ihr nichts schuldig. âHast du nicht mal erzählt, dein Vater sei Arzt und dein Bruder studiert Plasmaphysik?â, fragt er.
Raja und Rani lernen sich als Rivalen kennen, und selbst als sie sich die Hand reichen, steckt die andere jeweils in der Tasche des anderen. Selbst Diebe haben einen Ehrenkodex. Nicht so Raja und Rani. Sie sind Partner, und dennoch versuchen sie unentwegt, sich gegenseitig zu betrügen. Sie können sich nie über etwas einigen, nicht einmal über den Codenamen für den Monsterdiamanten, den sie zu stehlen beabsichtigen. Er nennt ihn nach der berühmten bengalischen SüÃspeise Roshogolla, während sie sich darauf versteift, ihn âkhadaâ zu nennen, das Marathi-Wort für âKieselâ oder âSteinâ.
Die Kritiker wollten nicht zugeben, dass sie keinen Sinn für die überschwängliche Vitalität und den Witz des Films hatten, ebenso wenig für die unorthodoxe Handlungslinie und sein unsentimentales Ende, bei dem das sich stets zankende Diebespaar nicht im Gefängnis landet, sondern reich und glücklich wird. Die Filmmusik, die in Begriff war, sämtliche Absatzrekorde zu brechen, mussten sie wohl oder übel loben. Während sie immerhin feststellten, dass Asmaans Texte âandersâ waren, entging ihnen die Tatsache, dass die Demaskierung des in der Branche vorherrschenden romantischen Kitsches, der etwa in âPyaasaâ und âShri 420â selbstverliebte Blüten trieb, nur ein Teil ihrer Leistung war. In Wirklichkeit war es Asmaan gelungen, das Wesen jenes leichten Genres namens Hindi-Filmsong in etwas zu verwandeln, das durchaus imstande war, sich mit ernsten, äuÃerst kontroversen und sogar philosophischen Themen auseinanderzusetzen.
Der Film war nicht nur insgesamt rotzfrech und unverschämt, er war auÃerdem hier und da mit schrägen Einfällen gespickt, die den Gang der Handlung in Form von Kommentaren und Randbemerkungen unterbrachen. Nach einem Drittel der Streifens sagte eine Stimme aus dem Off: âUnd hier ging uns die Kohle aus. Bevor wir auf die Knie fallen und unsere knickrigen, knauserigen Geldgeber anflehen, das auszuspucken, was sie zugesagt hatten, werden wir unsere Music Directors bitten, Sie so lange mit einer knalligen item number bei der Stange zu halten, die nicht das Geringste mit dem Film zu tun hat. Macht euch bereit, Freunde, wir werden dieses Kino rocken! Aber vergesst nicht, für uns zu beten, Brüder und Schwestern. Oder noch besser, wir lassen einfach den Hut herumgehen. Stop, fast hätt ichâs vergessen! Wir bräuchten jemanden, der diese tierisch heiÃe Nummer choreographiert. Umsonst, versteht sich. Sollen doch diese zwei Volltrottel, unsere Music Directors, die Leinwand in Brand setzen!â Das war das Stichwort für den Titelsong, dessen Text in Assonanzen, Alliterationen, in hanebüchenen Reimen und Lautmalereien schwelgte und klug genug war, jeden Anspruch auf Sinn und Tiefsinn zu meiden. âHullaGulla, masha Allah, roshogolla, subhan Allah, khullam khulla, wallah walla, gajar ka halwa â¦â Die Königin des Tanzes, Helen, lockte das Publikum mit lasziv gekrümmtem Zeigefinger zu sich heran, fuhr sich mit der feuchten Zungenspitze über ihre Lippen, wackelte mit dem Hintern und erntete tosenden Beifall.
Nachdem der Diamant gestohlen worden
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