Die Statisten - Roman
nachzujagen. Und doch entwickelten selbst ältere Leute neuerdings wahnhafte Ideen und phantasierten schamlos.
Die Menschen in den CWD -Chawls hatten tatsächlich angefangen zu glauben, so ziemlich alles sei möglich. Praveen Satam würde kein Hafenarbeiter wie sein Vater werden; er würde die Hochschulreife erlangen, zur Handelsmarine gehen und erster Offizier werden. Errol Fernandes hatte es sich in den Kopf gesetzt, seinen Job als Bedienung im Radio Club hinzuschmeiÃen. Wennâs hart auf hart kommen sollte, würde er seine Schwester bitten, ihre Hochzeit zu verschieben, oder seine Mutter anflehen, ihren Schmuck zu verpfänden, sodass er sich beim Institute of Catering in Shivaji Park einschreiben und später im Taj Mahal Hotel Hilfskoch werden könnte.
Der Fall der Lata Randive aus dem dritten Stock von CWD -Chawl Nr. 23 war zwar etwas extrem, gab einem jedoch eine gewisse Vorstellung von der umwälzenden Kraft der Veränderungen, die die Psyche der CWD -Chawls erfasst hatten. Lata sollte am 9. Dezember mit Ramesh Punekar, einem Angestellten der Union Bank, verheiratet werden. Die Hochzeitskarten waren gedruckt und sollten am folgenden Montag verschickt werden. Doch Lata spielte nicht mehr mit. Sie würde ihrem â nicht in sie, sondern in sich selbst â unsterblich verliebten Verlobten sagen, dass es ihr piepegal war, ob er seine pelzige Brust mit Wachs enthaarte und seinen Macho-Schnurrbart zwirbelte, seine südliche Behaarung abrasierte oder so lang wachsen lieÃ, dass er sich Zöpfchen daraus flechten konnte, denn sie setzte sich ab und lieà die Hochzeit platzen. Die Welt erwartete sie mit offenen Armen. Sie würde Stewardess bei Air India werden und die Welt sehen. Und, wer weiÃ, eine Affäre mit einem australischen Cricketspieler haben oder Miss Indien und dann Miss Universum werden.
Was läuft hier ab? Wer treibt diese Psychospiele? Wie konnte sich innerhalb von gerade mal sieben Tagen alles so radikal verändern? Schauen Sie aus einem beliebigen Fenster eines beliebigen CWD -Chawls, und Ihnen wird ein auÃergewöhnlicher Anblick zuteilwerden. Vor CWD -Chawl Nr. 17 parkt eine lange Reihe von Autos â und nicht etwa Premier Padminis oder Ambassadors, um Gottes Willen, sondern ausländische Fabrikate wie Cadillacs, Buicks und Jaguars.
Wo, so könnten Sie mit Fug und Recht fragen, waren alle diese Fürsten der Hindi-Filmindustrie, die sich jetzt gegenseitig anrempelten, schubsten und prügelten, um die neuen Stars unter Vertrag zu bekommen, während der Zeit gewesen, als Ravan und Eddie auf ein schlichtes Wort der Anerkennung gewartet hatten? Was hatte sie so lange aufgehalten? Vieles, sagten sie, aber gewiss nicht fehlender guter Wille. Was denn dann zum Beispiel?, fragte Eddie. Nun, zum einen war ClickClick Kapil, der Regisseur von âHullaGullaâ, ohne jegliche Vorwarnung abgetaucht. Er hatte geheiratet und verbrachte die Flitterwochen irgendwo auÃerhalb der Stadt. Nicht einmal sein erster Regieassistent wusste, wo er sich aufhielt. Er hatte weder eine Nachsendeadresse noch eine Telefonnummer hinterlassen. Und seine Angehörigen? Das waren Geschäftsleute aus Kanpur, aber es hieÃ, der Vater habe den Kontakt zu ihm abgebrochen, da ClickClick sich darauf versteift hatte, statt in das Familienunternehmen einzusteigen, zum Film zu gehen.
Das allerdings war kein unüberwindliches Hindernis. SchlieÃlich wäre die normale und verlässliche Informationsquelle unter den gegebenen Umständen der Music Director gewesen, dem das neue Gespann, Eddie und Ravan, schon seit Jahren assistierte. Sie kontaktierten jeden haupt- und nebenberuflichen Komponisten in der Branche, aber niemand von ihnen hatte die leiseste Ahnung, wer R & E waren. Auch sie waren von diesem Komponistengespann, von dem noch keiner etwas gehört und das trotzdem ein solch sensationelles Debüt hingelegt hatte, völlig überrumpelt worden. Eine Zeit lang sah es aus, als könnte diese pandemische Unwissenheit nur auf Missgunst und Eifersucht unter Kollegen und eine daraus folgende Verschwörung des Schweigens zurückzuführen sein. Doch seltsamerweise hatte auch von der Verfasserin der Songtexte, einer gewissen Asmaan, kein Mensch je etwas gehört.
Dann endlich begriffen die Koryphäen aus Bombays Kinowelt, dass sie die Sache völlig falsch angepackt und ein Problem erschaffen hatten, das gar nicht existierte. Die Lösung
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