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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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gedrückt, bückte sich Parvati-bai hinunter und legte Victor besorgt die Hand auf die Stirn. Victors Frau Violet, im neunten Monat schwanger, kam die Treppe heruntergewatschelt und sah sie. Pieta mit dem linken Arm haltend und mit dem rechten durch die Luft rudernd, marschierte sie schnurstracks zu ihrem Mann.
    â€žSteh auf, Victor“, sagte sie unwirsch, doch Victor blieb ungerührt.
    Parvati trommelte sich mit den Knöcheln gegen die Schläfen, um den bösen Blick von ihrem Sohn abzuwenden, und plapperte dabei wie ein Wasserfall. „Mein Baby, mein Süßer, mein Zuckerstück, kaum ein Jahr alt, und schon willst du deine Mutter verlassen, schämst du dich nicht? Sag was zu mir, Baby, was hätte ich bloß getan, wenn dir was passiert wäre? Dein Vater hätte mich bei lebendigem Leib aufgefressen. Gott Khandoba war gnädig, deswegen hast du überlebt. Und weil ich gestern Abend zu Sai Baba gebetet habe.“ Mit einer atemberaubend geschickten Handbewegung – und ohne einen einzigen Knopf ihres Leibchens zu öffnen – ließ sie die rechte Brust, die größer als die Kuppel des Großen Stupa von Sanchi war, hervorschwappen und stopfte sie ihrem Sohn in den Mund.
    Violet hatte jetzt endgültig genug. Von dort, wo sie stand, konnte sie genau sehen, dass Victors Augen an dieser schamlosen Darbietung von Mutterliebe klebten.
    â€žHör auf damit, Victor. Steh auf“, zischte sie auf Konkani.
    Spätestens jetzt hätte Victor wohl aufstehen müssen. Aber er rührte sich nicht vom Fleck.
    Violet beugte sich über ihn. „Ich hasse dich. Ich hasse dich.“
    Keinerlei Reaktion. Violet setzte Pieta neben ihrem Mann ab. Sie versuchte, ihn am Hemdkragen zu packen, doch ihr Bauch war ihr im Weg. Sie hockte sich hin und rüttelte Victor an den Schultern. Sein Kopf schlenkerte hin und her wie bei einer Stoffpuppe.
    â€žHör auf, dich wie ein Idiot aufzuführen …“ Sie verstummte abrupt und bemühte sich verzweifelt, einen Gedanken zu ignorieren, der sich wie ein Holzwurm in ihr Bewusstsein bohrte. Aber es nützte nichts. Victors Kopf fiel wie bei einem Betrunkenen vornüber auf die Brust. Sie legte ihn behutsam wieder hin und starrte blind auf die Leute, die sich um sie versammelt hatten. Sie argwöhnte, dass sie irgendetwas Abfälliges über Victor und sie flüsterten. Ihr Finger deutete auf Parvatis Sohn.
    â€žMurderer, murderer – Mörder, Mörder“, sagte Violet mit heiserer Stimme. Parvati begriff sofort, dass die Frau etwas Unglück bringendes über ihren Sohn sagte.
    â€žKya, kya, was, was?“ Die einzige Sprache, die sie gemeinsam hatten, war Bombay-Hindi.
    â€žYes, yes“, zischte Victors Frau.
    Parvati setzte ihren Sohn neben Pieta ab.
    â€žWas soll dieses yes yes heißen? Wenn Sie was zu sagen haben, dann reden Sie wie ein vernünftiger Mensch. In einer Sprache, die ich verstehe.“
    Violet aber wollte oder konnte sich nicht vom Englischen losreißen. „Murderer, murderer.“
    Parvatis Sohn kletterte Victor auf die Brust. „Märrdererr, märrdererr“, kreischte er vergnügt.

    Am nächsten Tag fuhr um vier ein Leichenwagen vor und blieb dort stehen, wo Victor gelegen hatte. Tatsächlich lag er auch jetzt noch, mit weiterhin leicht geöffneten Augen und Lippen, als hätte er seine Überraschung noch nicht verwunden. Doch statt in den blauen Himmel zu blicken, starrte er jetzt an die schwarze Decke des Leichenwagens. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarze Schuhe und schwarzer Schlips: Victor war für die große Reise herausgeputzt. Seine Hände lagen gekreuzt übereinander, wie Schwerter an der Wand. Ein Fuß hohe blanke quadratische Stangen, zwischen denen sich schwere Messingketten aus rautenförmigen Gliedern spannten, zäunten den Sarg von drei Seiten ein.
    Hinter dem Leichenwagen versuchte Pater Agnello D’Souza Victors Frau zu trösten. Sie war vom Weinen erschöpft. Ihre Schluchzer klangen dürr und gefühllos, aber er tat weiterhin seine Pflicht. „Niemand kann etwas dafür, Mrs Coutinho, niemandem können Sie die Schuld an Victors Tod geben, nicht einmal diesem Kind. Wer kann uns schon festhalten, wenn unsere Zeit gekommen ist? Dann bleibt uns keine andere Wahl, als zu gehen. Und der Dahingeschiedene geht geradewegs zu unserem Herrn.“ Wie erhebend es war, mit anzusehen, wie der Geistliche

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