Die Statisten - Roman
Vater dem Sohn mit und wandte sich dann zu Ravan. âAlso, wohin wollten Sie Sita nach der Entführung bringen? Nach Bombay, nach Puna? Nein, nein, natürlich nicht! Sie wollten sie in Ihr uraltes Königreich Lanka bringen!â
âIch schwöre, ich habe sie nicht gezwungen. Ich schwöre es bei meiner Mutter. Ich schwöre es bei der Göttin Amba , die meine Mutter sehr verehrt. Sita sagte: Nimm mich mit, also habe ich es getan.â
âWohin mitnehmen?â
âDorthin, wo der Himmel die Erde berührt, sagte sie, für immer und ewig.â
âUnd Sie haben auf sie gehört?â
âWenn Ravan nicht auf Sita hört, wer dann?â Ravan war mit seiner Erwiderung sehr zufrieden.
âGajanan, kümmere dich um unseren Freund hier.â Mr Patil entriegelte das Tor. âIch bin bald wieder da.â
âWo gehen Sie hin, Patil?â Ravan staunte über seine eigene Dreistigkeit. Bis gestern Abend, bis noch vor einer Minute wäre es für ihn unvorstellbar gewesen, diese erhabene Persönlichkeit ohne die Anrede âMrâ anzusprechen.
Mr Patil nahm Ravans Unverschämtheit zur Kenntnis, doch sie machte ihn nur umso verbindlicher. âDie Braut und den Bräutigam verabschieden.â
âPatil, sie gehört mir, mir allein! Wir sind verwandte Seelen. Das hat sie selbst gesagt. Sie ist eine groÃe Sängerin und Künstlerin. Wir werden die erste Hindu-Hochzeitsband des Landes mit einer Sängerin sein. Wir werden die indische Musik von Grund auf verändern. Wir werden zum Film gehen. Wir werden berühmt!â
âMeine Tochter soll in der Ãffentlichkeit singen? Vielleicht sogar vor Leuten tanzen? Wie Prinzessin Mirabai ?â
âGanz genau. Aber nicht nur religiöse Lieder. Alles. Ich werde die Lieder komponieren, und sie wird ihnen mit ihrer wundervollen Stimme Leben einhauchen.â
âIch fürchte, Gajanan, wir werden unseren Gast trotz des damit für ihn verbundenen Unbehagens knebeln müssen.â
Ravan sprach jetzt lauter, um jeder übereilten MaÃnahme vonseiten der Patils zuvorzukommen. âIch warne Sie, Patil, das wird Sie teuer zu stehen kommen!â
âTatsächlich?â Gajanan war die fleischgewordene Höflichkeit. âInwiefern?â
âSita und ich hatten eine Beziehung.â
âWas denn für eine Beziehung?â, fragte der alte Mann. âHat sie Ihnen eine rakhi um das Handgelenk gebunden und Sie zu ihrem Bruder gemacht?â
âWir haben die Ehe vollzogen â Sita und ich, nicht ihr Ehemann!â Ravan lieà das erst mal wirken. Er hatte keinen Zweifel daran, dass Vater wie Sohn unter der Wucht dieser Offenbarung torkelten, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass noch etwas fehlte, der endgültige Schlag, der sie niederschmettern würde, um vor ihm im Staub zu kriechen. Seine Augen wurden schmaler. Er schwieg kurz. âSita hat mir â ja, mir, Ravan! â ihre Jungfräulichkeit hingegeben.â
âIhnen?â Mr Patils Stimme war fast ein Krächzen. Es war offenkundig, dass Ravans Enthüllung die erhoffte Wirkung erzielt hatte.
âJa. Sie sagte mir, dass, als sie mich in meiner Uniform sah, ihr Herz in Liebe entbrannt sei. Sie sagte: âMag Lanka auch in Flammen aufgehen, wir werden uns niemals trennen!ââ
âBesteht vielleicht die Möglichkeitâ, fragte Gajanan fast schon servil, âich meine, glauben Sie, wir könnten zu einer Art Einvernehmen kommen und uns Ihr Schweigen sichern?â
Ravans Worte hallten in der Garage wider: âWahre Liebe ist niemals käuflich, Patil!â
âWollen Sie es sich nicht noch einmal überlegen? Bitte.â Jetzt war es der alte Mann, der bettelte.
âNiemals!â
âDas ist bewundernswert, wirklich sehr bewundernswert.â Gajanans Ton hatte sich verändert.
Ravan musterte Sitas Bruder. Nein, er mochte diesen Mann nicht. Er hatte keinerlei Schwachstelle, keine Schramme in seiner Rüstung, nur ein totes Gesicht, aus dem sich nichts herauslesen lieÃ. Er war ein wenig gröÃer als sein Vater, sechs FuÃ, vielleicht etwas mehr. Anders als Mr Patil trug er eine Hose und ein Hemd mit offenem Kragen. Seine Kolhapuri-chappals waren brandneu und mussten geölt werden. Sie quietschten, wenn er sein Gewicht von einem auf den anderen Fuà verlagerte. Er hatte langes, dicht gelocktes Haar, das in der Mitte gescheitelt war.
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