Die Statisten - Roman
Ende. Und sie machen mich rein körperlich fertig. Einen Hindi-Film von drei Stunden hält kein normaler Mensch aus.â
Sie nickte weise. âDu hast natürlich vollkommen recht. Die Elvis-Filme haben doch wirklich erheblich mehr Tiefgang.â Sie zog eine komische Grimasse und lieà ihre Augenbrauen wie winzige Schiffchen auf einer kabbeligen See tanzen. âGehen wir uns einen richtig miesen Hindi-Film angucken, Eddie! Ich gebâs ja ungern zu, aber ich bin eben nicht so intellektuell wie du.â
Mit Belle konnte man einfach nicht reden. Er ging mit.
âIch bin gerade mal eine Stunde in der Kirche, und das kommt dabei raus!â Mrs Fernandes hatte die Stimme nicht erhoben, aber es bestand kein Zweifel, dass sie wütend auf Eddie war. âKeine Frauen, habe ich dir das nicht schon am allerersten Tag gesagt? Und niemals Alkohol für sie!â
Eddie sah sie betreten an und versuchte, auch etwas zu sagen, aber ohne Erfolg. âIch stelle hier die Regeln auf! Du hast das Recht, nicht mit ihnen einverstanden zu sein, aber nicht, sie zu übertreten!â Jetzt richtete Mrs Fernandes ihre Aufmerksamkeit auf die Frau, die, eine Zigarette zwischen den Lippen und ein Glas Whisky in der Hand, mit dem Rücken an der Trennwand saÃ. Sie beobachtete Mrs Fernandes mit einer verunsichernden Unverhohlenheit. Sie schien das, was sie sah, mit einer Vorstellung abzugleichen, die sie in sich von ihr gemacht hatte. Die Augen des weiblichen Gastes leuchteten unnatürlich hell, und in ihrem Inneren herrschte eine derartige Hochspannung, dass es ein Wunder war, dass sie nicht gegen die Wand sprang und einen Haken über die Decke schlug wie eine eingesperrte Tigerin, die ungeduldig auf ihr Fleisch wartete.
âTut mir leid, aber ich muss Sie bitten, sofort zu gehen.â
âEr kann nichts dafür. Ich habe mir gewaltsam Zutritt verschafft.â
Das war die reine Wahrheit. Eddie hatte ihr klar und deutlich gesagt, dass nur Männer bedient würden, aber sie war trotzdem hereingekommen. âBitte gehen Sieâ, hatte er zu ihr gesagt. âWeibliche Gäste sind hier nicht zugelassen.â
âIch geh nirgendwohin, Eddie.â Das verschlug ihm erst mal die Sprache. Woher kannte sie seinen Namen? Er sah sie zum ersten Mal.
âWoher kennen Sie meinen Namen?â
âDas ist egal. Gib mir nur einen Drink. Stark, richtig stark.â
âWenn Sie nicht gehen, bin ich gezwungen, Sie gewaltsam zu entfernen.â
Eddie hatte aus Erfahrung gelernt, keine leeren Drohungen auszusprechen. Er trat einen Schritt vor, so einschüchternd, wie er nur konnte. Er wusste, dass er mit ihr fertig werden konnte. âRaus.â
âWeiÃt du, was Jesus zu Maria Magdalena sagte, nachdem er von den Toten auferstanden war? Noli me tangere. Jetzt sagt Maria Magdalena dir: Rühr mich nicht an! Sonst kratz ich dir die Augen aus.â
Die Frau war gerade mal anderthalb Meter groÃ, höchstens ein, zwei Fingerbreit drüber, und noch dazu eine graue Maus, aber sie hatte ein manisches Funkeln in den Augen, von dem ihm unbehaglich wurde. Er stand da und wusste nicht, was er tun sollte. Sie setzte sich auf die Bank, öffnete ihre Handtasche und holte zu Eddies Entsetzen ein Päckchen Charminar hervor. Nur Frauen in Hollywood- und Vamps in Hindi-Filmen rauchten, aber selbst die, da war er sich sicher, würden sich nicht an diese männermordende Marke wagen. Eddie schaute auf Krishnamurthy und die übrigen Gäste, die verstohlene Blicke auf die Frau warfen, und begriff, dass sie nicht beabsichtigten, ihm zu helfen. Sie lieà geübt ein Feuerzeug aufschnappen und steckte sich eine Zigarette an. Eddie sah gebannt zu, wie sie einen tiefen Zug tat und dann den Rauch langsam hinauswabern lieÃ.
âWie wärâs, Eddie?â Sie pulte sich mit dem Mittelfinger einen Tabakkrümel ab, der am Lippenstift ihrer Unterlippe kleben geblieben war. âJetzt, wo ichâs mir bequem gemacht habe â warum machst du mir nicht einen scharfen Drink?â
âIch kann nicht. Ich verlier sonst meinen Job.â
Sie stand langsam auf. Eddie zog sich in der Annahme, sie würde gleich auf ihn losgehen, ein paar Schritte zurück. Sie sah sich um und ging zum Regal, wo die Getränke standen, nahm ein leeres Glas und schenkte sich einen Drink ein. Jetzt steckte er wirklich in Schwierigkeiten. Nicht nur hatte eine Frau sich gewaltsam Zutritt verschafft
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