Die Statisten - Roman
ihn entdeckt hatten. Ein Mädchen schleuderte etwas nach ihm. Er duckte sich, aber nicht schnell genug. Etwas Spitzes und Hartes schlug ihm gegen die Stirn. Er spürte einen stechenden Schmerz, und Blut tropfte ihm in die Augen. Mehr als der Schmerz war es die unerwartete Grausamkeit, die ihn so sehr erschütterte, dass er sich hinsetzen musste. Das Wurfgeschoss, das ihm die Stirn aufgeschlagen hatte, lag vor ihm. Es war ein ramponierter hölzerner Kreisel mit roten und grünen Streifen. Inzwischen beschmissen ihn die Kinder mit allem, was sie in die Hände bekamen.
Blutend, bestürzt und kopflos rannte Ravan davon, bis er die SchnellstraÃe erreichte. Die Kinder waren nicht weit hinter ihm. Ohne groà auf die wild hupenden Autos und Laster zu achten, lief er Haken schlagend über die Fahrbahn. Er würde den ganzen Weg nach Bombay rennen, bis er wieder zu Hause wäre.
Als die Polizei ihn einsammelte, hätte er die zwei Beamten, die ihn in den Transporter stieÃen, glatt umarmen können.
âWo sind deine Sachen?â
âIch habe Ihnen doch gerade die ganze Geschichte erzählt!â
âEine äuÃerst glaubwürdige. Und den Namen hast du dir tatsächlich gut ausgesucht. Es gibt bestimmt eine Million Patels in Maharashtra.â Der Polizist stieà ihm mit seinem Knüppel in die Rippen.
âDas tut weh! Und der Name war nicht Patel, sondern Patil.â
âAch, das tut weh?â Der Polizist schaute erstaunt und rammte ihm den Stock noch fester in den Brustkorb, bis Ravan mit dem Rücken an der Wand der Zelle stand. Sie befanden sich in der Polizeiwache Mazagaon. Der diensthabende Sub-Inspector döste, die FüÃe auf einem groÃen alten Holztisch, auf seinem Stuhl. Der Deckenventilator schwirrte mit arthritischen Klicken bei jeder Umdrehung vor sich hin. Zwei Polizisten verhörten Ravan. Andere gingen ein und aus. Ein lächelnder Mahatma Gandhi blickte von seiner hohen Warte an der Wand gütig auf das Geschehen herab, während Jawaharlal Nehru, das Kinn auf das Handgelenk gestützt, in einem zweiten Bilderrahmen über die Weltlage sinnierte.
Der andere Polizist hob mit dem Ende seines Bambusschlagstocks Ravans Penis hoch. âHey, was baumelt dir da zwischen den Beinen? Noch nie so was gesehen!â
Ravan lächelte schwach. Er wollte sie nicht beleidigen.
âIrgend so ne Art Krebsgeschwulst?â Der Polizist hatte angefangen, die Spitze von Ravans Penis und seine Hoden mit leichten Schlägen zu traktieren. âDas müssen wir wegkriegen.â
Der Polizist musste ein Sammelsurium von Melodien im Kopf haben, nach deren Takt er schlug, denn er wechselte ständig das Tempo: schnelle Trommelwirbel, Stakkato-Märsche und langsame Walzer-Rhythmen.
âBitte nicht!â Ravans Hoden waren angeschwollen, und er verlor vor Schmerz immer wieder kurzzeitig das Bewusstsein, aber es war ihm absolut klar, warum er solch unerträgliche Leiden erdulden musste. Er hatte sie verdient. Sie waren die Strafe dafür, dass er den Menschen, den er über alles liebte, verraten hatte: Eddies Schwester Pieta.
âDas kann doch unmöglich weh tun.â Der Polizist versetzte Ravan einen scharfen Hieb auf die Fingerknöchel. âHier findet eine Ermittlung statt. Bildest du dir ein, nur weil du bekloppt bist, darfst du die Justiz behindern?â
âIch bin nicht verrückt!â, schrie Ravan. âBitte nicht schlagen!â
âWenn du nicht bekloppt bist, warum hast du dann nichts an, und das auch noch in aller Ãffentlichkeit?â Der zweite Polizist schlug ihm auf den Kopf.
âWarum haben Sie mich denn nicht bei mir zu Haus aussteigen lassen, wie ich Sie gebeten habe, als wir dort vorbeigefahren sind? Meine Mutter ist bestimmt auÃer sich vor Sorge!â
âDich aussteigen lassen? WeiÃt du nicht, dass es strafbar ist, nackt auf der StraÃe rumzulaufen?â
âDieser Gajanan Patil hat mir alles abgenommen, meine Brieftasche, meine Kleider, alles!â
âWarum sollte ausgerechnet ein Patil, ein Dorfvorsteher, dich bestehlen wollen?â
âIch wette, du wolltest mit diesen Kindern und deinem unanständigen Gewächs da vorn irgendein krummes Ding treiben.â Der erste Polizist führte eine neue Facette in das Verhör ein. âSag die Wahrheit, hast du dir deshalb Hemd und Hose ausgezogen?â
âIch schwöre Ihnen, dass diese Kinder mich mit
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