Die Staufer und ihre Zeit
Geschichtsprofessor Wilhelm von Giesebrecht, dessen Werk großen Einfluss auf das Geschichtsbild des deutschen Bildungsbürgertums haben sollte, trägt seinen Teil bei zur Monumentalisierung der Staufer. In seiner sechsbändigen »Geschichte der deutschen Kaiserzeit« (ab 1855), die als solide Materialschau Verdienste hat, feiert er die staufische Kaiserzeit als »Periode, in der unser Volk, durch Einheit stark, zu seiner höchsten Machtentfaltung gedieh. Wo es nicht allein frei über sein eigenes Schicksal verfügte, sondern auch anderen Völkern gebot, wo der deutsche Mann am meisten in der Welt galt und der deutsche Name den vollsten Klang hatte.« Das klingt schon stramm nationalistisch.
Ein Auslöser des Barbarossa-Fiebers von Beginn des 19. Jahrhunderts an ist sicherlich die Demütigung der Deutschen durch Napoleon und seine Besatzungstruppen gewesen. Und die Frustration endet nicht: Nach dem Sieg über Napoleon verwehrt der Wiener Kongress die erhoffte politische Einigung Deutschlands. Die Revolution von 1848 scheitert.
Aber ihren Staufer-Mythos kann den träumenden Patrioten keiner nehmen. Barbarossa, sagt der Historiker Schneidmüller, »ist nun der nationale Recke, an dem die Deutschen ihre Sehnsucht nach der Reichseinheit festmachen«.
Die Freiheitsliebenden, die Anhänger der Demokratie, haben allerdings oft ihre liebe Not mit den Staufern. Der Liberale Ludwig Pfau versucht 1847 in einem Gedicht gegen den Trend anzuschreiben: »Laß ruhn den Barbarossa doch, auf seines Schwertes Knauf. Laß ihn bei seinem Trosse doch. Und wach Du selber auf!« Keiner aber verspottet die Staufer so kunstvoll wie Heinrich Heine. In seinem satirischen Versepos »Deutschland. Ein Wintermärchen« (1844) träumt der politische Dichter von einem Besuch im Kyffhäuser, wo er sich mit dem alten Barbarossa unterhält. »Geh’, leg Dich schlafen«, befiehlt er ihm respektlos, »wir werden uns auch ohne Dich erlösen … Bedenk’ ich die Sache ganz genau. So brauchen wir gar keinen Kaiser.«
Was die anderen in den Himmel heben, nennt Heine schlicht das »alte Heilige Römische Reich« mit seinem »modrigsten Plunder«. Der vielgepriesene Kaiser ist bei ihm ein knauseriger Depp, der seinen Soldaten nur einen Dukaten pro Jahrhundert zahlt und die Französische Revolution verschlafen hat. Hämisch beschreibt Heine, wie er »durch die Säle herumwatschelt«, der alte Rotbart, »mit mir in trautem Geschwätze, er zeigte, wie ein Antiquar, mir seine Kuriosa und Schätze«.
Die Staufer müssen auch herhalten für den erbitterten Richtungsstreit um den künftigen Kurs der Reichspolitik. Es geht um die Frage, in welchen Grenzen das Reich herzustellen sei – sollte man in einer großdeutschen Lösung alle deutschsprachigen Gebiete vereinen oder, als kleindeutsche Variante, nur den Norddeutschen Bund mit Süddeutschland? Die Staufer hätten sich in Italien verzettelt und deshalb die
nationalstaatliche Entwicklung blockiert, mäkelt der Münchner Historiker Heinrich von Sybel. Sein Innsbrucker Kollege Julius Ficker, der eine großdeutsche Lösung unter habsburgischer Führung propagiert, hält dagegen – daraus sollte ein Historikerstreit werden, der bis ins nächste Jahrhundert nachwirkt.
1871 zur Reichsgründung entzweien die Staufer sogar noch die Parteien im Reichstag – als ginge es um eine aktuelle Politikvorlage. Der Sprecher der Nationalliberalen, der Abgeordnete Rudolf von Bennigsen, macht den imperialen Kurs Barbarossas und Friedrichs II. nieder: Gerade die mächtigsten Kaiser hätten sich um Deutschland nicht gekümmert und »in langen Regierungsjahren Deutschland kaum betreten«. Zwar kritisiert auch der Zentrumsabgeordnete Ludwig Windthorst die Italien-Züge der Staufer, findet aber in der Erinnerung an sie eine Poesie, die »eine tiefe Saite des deutschen Charakters zum Schwingen bringe«. Tatsächlich soll die Anbindung an das erste Kaiserreich dem nüchternen Beamten- und Militärstaat Preußen etwas geschichtlichen Glanz verleihen. Praktische Politik, so Münkler, wird aus der nostalgischen Rückschau aber nicht.
Der Glanz strahlt zur prächtigen Siegesfeier gerade recht, nach dem Triumph über die Franzosen dichtet Theodor Fontane vaterländische Sentenzen über Wilhelm I., den »Kaiser Blanchebart«. Zum Empfang der aus Frankreich zurückkehrenden Truppen gibt das Hoftheater in Stuttgart »Kaiser Rotbarts Erwachen«, in Karlsruhe spielt man »Kaiser Rotbart« und in Berlin »Barbarossa«.
Aufwendig würdigt das
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