Die Staufer und ihre Zeit
Herrscherhäusern? Warum spielen nicht Karl der Große oder Kaiser Otto I. diese prominente Rolle in der Saga der Deutschen? Die Staufer, sagt der Heidelberger Historiker Bernd Schneidmüller, eignen sich jedenfalls besonders gut dazu, »nationale, ja übernationale Größe zu zelebrieren«. Karl der Große und die Karolinger, so Schneidmüllers Argumentation, sind noch nicht deutsch, sie sind Franken. Die Ottonen stehen noch im Übergang von der fränkischen Welt zum Europa des Mittelalters, im 10. Jahrhundert fehlt auch noch der wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung, der die Staufer-Welt auszeichnet. Und die Salier, das nächste große Geschlecht, verschleißen sich im Riesenkonflikt mit dem Papsttum, dem Investiturstreit, der Heinrich IV. zum Gang nach Canossa zwingt.
Die staufischen Fürsten Barbarossa und Friedrich II. sind aber auch ungemein markante Kaisergestalten, Schneidmüller
spricht von »charismatischer Herrschaft«. Sie leuchtet umso heller, je länger sie zurückliegt. Vor allem Barbarossa wird zum glorifizierten Inbegriff des mächtigen, schwertumgürteten Königs. Von Friedrich II., dem schillernden Deutsch-Italiener, schwärmt Nietzsche als einem der »zauberhaften Unfassbaren und Unausdenklichen«, in ihm sieht er den »ersten Europäer nach meinem Geschmack«.
Die Staufer-Begeisterung hat Dichter wie Historiker über Jahrhunderte befeuert, ihre Epoche gilt manchen gar als Höhepunkt der deutschen Geschichte. Tatsächlich verbindet sich mit den Staufern die Glanzzeit der hochmittelalterlichen Architektur und Literatur, der höfisch-ritterlichen Kultur, des Burgenbaus. Der Aufbruch der Wissenschaften ereignet sich ebenso in diesen Jahrzehnten wie der Aufschwung der Städte und des Handels.
Vor der dekorativen Kulisse von Burgen und Ritterturnieren liefern die Staufer erstklassigen Stoff für Heldensagen vom Aufstieg und Fall eines Königsgeschlechts, mit allem, was dazugehört. Krieg, Triumph und Demütigung, Mord und Intrige, Liebe und Heiratspolitik. Große historische Mythen überdauern nur, sagt Staufer-Kenner Schneidmüller, »wenn sie für jedes Jahrhundert sozusagen frisch anknüpfungsfähig sind«. Auf die Friedrichs und Konrads trifft das zu. Das schwäbische Herrschergeschlecht erweist sich durch fast alle Epochen hindurch als immer wieder neu interpretierbar. Jede Epoche nahm sich, was sie brauchte – die Reformation den Widerstand gegen die Päpste, die Romantik den Minnesang und die höfische Kultur, die Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts die Reichsidee. Sogar die Nazis fanden einen Weg, die Staufer propagandistisch einzuspannen.
Der Staufer-Mythos entstand nicht erst in der Neuzeit, sondern bereits im Mittelalter. Schon zu Lebzeiten wird Friedrich II. überhöht zum »größten unter den Fürsten«, zum
»stupor mundi«, dem »Staunen der Welt«. Kräftig nährt er selbst den Personenkult um sich. »Kaiser Friedrich II., immer erhabener Caesar der Römer, König Italiens, Siziliens, Jerusalems, des Arelats; der Glückliche, der Sieger, der Triumphator«, nennt er sich etwa im Vorsatz seines Gesetzbuches für Sizilien, das er 1231 veröffentlichen lässt.
Sein Großvater Barbarossa engagiert als Hofchronisten einen der bekanntesten Geschichtsschreiber der Zeit: Bischof Otto von Freising, ein Onkel des Kaisers. In dessen Auftrag verfasst er 1157/58 eine propagandistisch gefärbte Chronik der »Gesta Frederici« (»Taten Friederichs«), in der die Staufer zu Erfüllern des göttlichen Willens stilisiert werden. Lobpreis über alle Maßen spendet der zeitgenössische Kölner Vagantendichter Archipoeta: »Kaiser Friedrich, in der Welt bist du Herr der Herren, dass Posaunen dir des Feindes Burgen niederzerren. Wir verneigen uns vor dir, Ameise wie Tiger, Busch und Zeder Libanons beugen sich dem Sieger.«
Bloß im Ausland ist Barbarossa herzlich unbeliebt. Denn angesichts ihres Expansionsdrangs wächst auch Abwehr gegen die Deutschen. Damals entsteht das Bild vom »barbarischen, ungezügelten und plumpen Deutschen«, die Angst vor dem »furor teutonicus« nimmt Gestalt an. »Wer hat die Deutschen zu Richtern über die Nationen bestellt?«, erzürnt sich der englische Philosoph Johann von Salisbury, papsttreuer Bischof von Chartres, als Barbarossa 1160 einem Gegenpapst an die Macht verhilft. »Rohe und gewalttätige Menschen« nennt er die Deutschen.
Für die Mailänder und den norditalienischen Lombardenbund, die sich mit Unterstützung des Papstes von dem schwäbischen
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