Die Staufer und ihre Zeit
ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.
Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit,
Und wird einst wiederkommen
Mit ihr, zu seiner Zeit.
Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.
Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug’ halb offen zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.
Er spricht im Schlaf zum Knaben:
Geh’ hin vor’s Schloß, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.
Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr.
Der 1788 geborene Dichter Friedrich Rückert schreibt 1817 eine Ballade, die dem alten Sagenstoff aktuelle politische Bedeutung gibt: Das zersplitterte Deutschland wartet auf seine Zeit.
Der Barbarossa-Felsen in der idyllischen Burgruine ist beliebt bei den DDR-Bürgern, es kommen fast doppelt so viele Besucher wie heute. Nur der authentische Burgfried bleibt ihnen versperrt, er ist einsturzgefährdet, das Honecker-Regime hat kein Geld oder kein Interesse, die Ruine wieder aufzubauen. Das ist heute in schönster Weise gelungen. Der ganze Denkmalsort ist ein Schmuckstück, doch die Besucherzahlen gehen zurück. Das Museum wirbt schon mit riesigen Bodenbildern auf den umliegenden Feldern, die nur von der Burg aus zu sehen sind, Barbarossa reicht nicht mehr als Attraktion.
Im Westen des Landes hat sich schon in den fünfziger Jahren ein neuer Blick auf die Staufer geöffnet, wie Historiker Schneidmüller sagt. Nun wird die nationale Sicht stark gedimmt, lieber spricht man von der abendländischen Kultur, die sich in diesen Herrschern manifestiert hat. Und so wird Friedrich II. zum Multikulti-Kaiser, »der mediterran denkt und vernetzt ist« (Schneidmüller), auch wenn es an dem Bild dann einiges zu korrigieren gibt.
Die Wissenschaft entdeckt die Staufer neu, könnte man sagen, sie sieht nun mehr die Handlungsräume und Netzwerke als einzelne historische Gestalten. Die Ausstellung »Die Staufer und Italien« 2010 in Mannheim ist Ausdruck dieses frischen Zugangs. Das Reich wird zerlegt in »Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa«, die Helden werden einer kritischen Revision unterzogen. Man sieht stärker auch
die Gegenbilder, die Verfälschungen durch Mythen, Propaganda und Gegenpropaganda.
Schneidmüller, einer der beiden wissenschaftlichen Koordinatoren der Mannheimer Ausstellung, spricht auch von der »Zuspitzung von Grausamkeit« unter den Staufern, deren Herrschaft immer wieder in Frage gestellt war. »Wir betreiben keinen Denkmalssturz, aber in der modernen Mediävistik beachten wir sehr deutlich die Grenzen der Heroisierung.«
Der fröhlichen Vermarktung steht aber auch die ambitionierte Schau nicht entgegen: Da gibt es Staufer-Wein und Staufer-Bier im Staufer-Glas. Und auf dem Rasen im Mannheimer Luisenpark prangt im Sommer ein Barbarossa-Beet mit sprießendem roten Blumenbart.
CHRONIK 1056 BIS 1268 DIE EPOCHE DER STAUFER
1056
Der Salier Heinrich IV. wird mit sechs Jahren römisch-deutscher König und Kaiser. Seine Mutter Agnes regiert für ihren unmündigen Sohn.
1076
Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst Gregor VII. um die Einsetzung der Bischöfe. In Worms erklären deutsche und lombardische Bischöfe den Papst für abgesetzt, Gregor VII. bannt Heinrich IV.
1077
Bußgang Heinrichs nach Canossa, wo er sich mit dem Papst versöhnt. Rudolf von Rheinfelden wird zum Gegenkönig ausgerufen.
1079
Der Staufer Friedrich erhält von Heinrich IV. für seine Treue das Herzogtum Schwaben. Er lässt die Burg Staufen errichten.
1096
Erster Kreuzzug; 1099 wird Jerusalem erobert.
1116
Herzog Friedrich II. von Schwaben verwaltet das Reich im Auftrag des Königs Heinrich V., der auf Italien-Feldzug ist.
1125
Friedrich II. unterliegt bei der Königswahl gegen Lothar von Supplingenburg.
1138
Friedrichs Bruder Konrad III. wird König, der erste Staufer auf dem Thron.
1152
Konrads Neffe Friedrich I. Barbarossa wird in Aachen zum König gekrönt.
1155
Die für ihre Rechtsgelehrten berühmte Universität von Bologna erhält von Barbarossa das Scholarenprivileg, eine gewisse Autonomie.
1157
Der Hoftag von Besançon endet mit einem erneuten Grundsatzstreit zwischen Kaiser und Papst.
1176
In der Schlacht von Legnano
Weitere Kostenlose Bücher