Die Staufer und ihre Zeit
Berliner Politologe Herfried Münkler, denn der in Umbrien und Sizilien aufgewachsene bartlose Friedrich, mehr Italiener denn Deutscher, hätte in Deutschland kaum patriotische Begeisterung wecken können.
»Nationalmythen beschwören Gestalten aus der Vergangenheit, um die Zukunft zu garantieren«, erläutert Münkler. Für die Humanisten der Reformationszeit ist diese Zukunft eine, in der die Allmacht der katholischen Kirche gebrochen ist. Luther und seine intellektuellen Mitstreiter nutzen den Konflikt Friedrichs I. mit dem Papst, »um antirömische und antiklerikale Ressentiments zu schüren«. Aus den Staufern werden richtige Deutsche gemacht.
Im späten 18. Jahrhundert beginnt, in Sagen und Märchen, Liedern und Erzählungen, die Suche nach den Ursprüngen eines deutschen Volkscharakters. Jetzt bekommen die Staufer Hochkonjunktur. »Sollten es nicht die Zeiten der Schwäbischen Kaiser verdienen«, hatte schon 1767 der Dichter und Philosoph Johann Gottfried Herder angeregt, »dass man sie mehr in ihr Licht der deutschen Denkart setzt?«
Bald stürzen sich die Romantiker auf das Mittelalter, das sie als »das schöpferische Jugendalter deutscher Kultur« verklären und germanisieren. Ganze Sammlungen von Volkspoesie entstehen, die Brüder Grimm nehmen die Kyffhäuser-Legende 1816 in ihr Kompendium der »Deutschen Sagen«
auf. »Er soll doch noch nicht tot sein«, heißt es da über »Friedrich Rotbart«, »sondern bis zum jüngsten Tage leben, auch kein rechter Kaiser nach ihm mehr aufgekommen. Bis dahin sitzt er verhohlen in dem Berg Kyffhausen, und wann er hervorkommt, wird er seinen Schild hängen an einen dürren Baum, davon wird der Baum grünen und eine beßre Zeit werden.« Einmal, so geht die Sage weiter, habe ein Zwerg einen Schäfer hineingeführt, da sei der Kaiser aufgestanden und habe gefragt: »Fliegen die Raben noch um den Berg?« Als der Schäfer das bejahte, rief er: »Nun muß ich noch hundert Jahre länger schlafen.« Die Raben und der lange Bart, der schon in den steinernen Tisch hineingewachsen ist, gehören fest zur Kyffhäuser-Geschichte.
Barbarossa-Monument am Kyffhäuser-Denkmal
»Welcher Nationalstoff! Kein Volk hat einen nur etwa gleich großen!«, jubelt Christian Dietrich Grabbe, ein Dramatiker des Vormärz, der gleich zwei Staufer-Dramen schreibt. Wortgewaltig dichtet auch Friedrich Rückert 1817: »Der alte Barbarossa« hat mit hinabgenommen »des Reiches Herrlichkeit«. Seine Verse, wer kennt sie nicht, werden zur Schullektüre bis weit ins 20. Jahrhundert.
Nun wollen alle über die Staufer schreiben, ganze Staufer-Zyklen entstehen. Das ist nicht immer hohe Kunst, mitunter, wie bei Wilhelm Nienstädt, klingt das arg bemüht: »So, auf erhabner Vorzeit dunkeln Trümmern, Ihr Licht in weite Ferne stolz gewandt, sah ich gepriesne Königs-Häupter schimmern, an Glück und Weh uns immerdar verwandt.« Bloß Goethe ist kein besonderer Fan der Staufer. Ihm genügt es, gemeinsam mit Großherzog Karl August auf den Kyffhäuser zu wandern, um den Sonnenaufgang zu erleben. Zwei Skizzen vom Berg, immerhin, bringt er mit.
Konradin, dem letzten der Staufer, widmen sich die Literaten mit besonderer Leidenschaft und Hingabe. Sein tragisches Los rührt das Publikum. Über hundert Konradin-Dramen und -Fragmente entstehen, darunter der populäre Ritterroman »Konradin von Schwaben« oder die tragische Oper gleichen Namens, 1812 in Stuttgart uraufgeführt. Die Geschichte findet ihren Weg in die Lehrpläne der Schulen, und Jesuiten-Zöglinge führen Konradins Untergang in lateinischer Sprache auf. Fast jedes Jahr erscheint ein neues Rührstück, so dass der Literaturkritiker Julius Hart schließlich
1915 den Augenblick herbeisehnt, »wo auf der Bühne der letzte Staufer zum letzten Mal das Schafott betritt«.
Häufig steht die Poetisierung des Mittelalters in krassem Gegensatz zu der oft grausamen Wirklichkeit der Ritterzeit. Eine bevorzugte Quelle vieler solcher Staufer-Dichtungen ist das Werk eines Historikers, Friedrich von Raumer: »Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit« (1823 bis 1825). Es ist eine idealisierend-romantisierende Darstellung, das Drama vom blendenden Aufstieg und tragischen Fall eines Königsgeschlechts. »Das entsprach der allgemeinen Sicht auf die mittelalterliche Kaiserzeit als einer glorreichen Vergangenheit, der eine Jahrhunderte währende Epoche nationaler Erniedrigung folgte«, urteilt der Münchner Historiker Knut Görich.
Auch der Königsberger
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