Die Steinernen Drachen (German Edition)
mehr sicher sein, wie lange meine Kollegen, allen voran Zhong, noch still halten würden. Ich weiß jetzt, dass ich ihm damit Unrecht getan habe, aber es schwänzelten zu viele zwielichtige Gestalten um das Mandarin herum. Ich hätte wissen müssen, dass er mich nicht ans Messer liefern würde ... Sie brachten mich nach Washington. Über Wochen hinweg verhörten mich Männer in dunkelblauen Anzügen wegen einer total irrsinnigen Sache: Nuklearwaffentests. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich einen Zusammenhang herstellen konnte. Diese rational denkenden Menschen konnten sich nicht vorstellen, dass auch etwas anderes als Atomwaffen die Erde erschüttern könnte. Etwas spirituelles, woran ich selbst nicht glaube! Ist das nicht verrückt? Schließlich habe ich es kapiert und spielte weiter brav mit. Ich wollte nicht, dass sie mich zurückschicken – schon gar nicht nach Laos. Als sie merkten, dass ich schwanger war, wurden die Verhöre reduziert. Ich war in Sicherheit, verstehst du das?“
Wenn das die Entschuldigung dafür ist, dass du ohne ein Wort gegangen bist...? Nach den Erfahrungen der letzten Wochen gestand er sich ein, dass er ihr diese Sicherheit nicht hätte geben können. Ganz im Gegenteil, denn er selbst hatte die CIA auf ihre Fährte gebracht. Trotzdem schmerzte ihre Schilderung, die alle Gefühle und ihn ausgrenzte, so, als hätte er ihren Lebensweg nie berührt. „Wieso bist du dann geflohen?“, wollte er wissen.
„Das war nicht meine Idee. Aki Rha, dem alten Trottel dort in der Ecke, war nichts Besseres eingefallen als sich mit den Chinesen zu verbünden. Der Greis wollte sein Opfer, um sein Land vor den Drachen zu bewahren. Dafür war ihm jedes Mittel recht. Rha wusste nichts von dem Drachentatoo. Er glaubte immer noch an die unberührte Prinzessin, dessen Tod die Himmelswesen besänftigte.“
„Aber die Chinesen ...“, unterbrach er sie.
„... kannten die Wahrheit und nutzten die Gunst der Stunde. Der Alte spielte mich ihnen in die Hände. Sie kidnappten mich auf dem Weg ins Krankenhaus, an dem Tag, an dem ich mein Kind geholt werden sollte. Woher sie wussten, wann und wo, bleibt ein Rätsel. Nach acht Monaten im Gewahrsam der CIA wurden die Sicherheitsvorkehrungen schon etwa lax gehandhabt. Vielleicht hat der chinesische Geheimdienst einfach nur die Krankenhäuser in und um Washington angerufen und nachgefragt.“
Sein Herz hämmerte und er hatte das Gefühl, dass sein Blut kurz vor dem Siedepunkt war. Das Fieber drängte in sein Gehirn und vernebelte seine Gedanken. Er war kurz davor das Bild zu vervollständigen und nun brachte die Malaria ihn knapp vor der Ziellinie zu Fall. Sein Mund wurde trocken, die Zunge klebte an seinem Gaumen und er musste sich anstrengen, seine letzte Frage zu stellen. „Aber du bist auch den Chinesen entkommen?“
Wie von fern hörte er ihr leises Lachen. Irgendwo in der anderen Ecke des Zelts, weit weg am Rande der Ewigkeit, murmelte Xieng auf den alten Mann ein. Neben ihm schmatzte das Baby.
„Sie schafften mich auf einen koreanischen Frachter, der noch am selben Tag auslief. Aber in meinem hochschwangeren Zustand schaffte ich es gerade so über den Atlantik. Es gab niemanden an Bord, der das Risiko eingehen wollte, einem Kind zur Welt zu helfen und dabei vielleicht das Leben der Mutter zu gefährden. Nun, die Chinesen hätten das eventuell in Kauf genommen, denn damit wären sie mich auf alle Fälle los gewesen. Aber Rha redete auf sie ein und plötzlich schienen sie Skrupel zu haben. Frag’ mich nicht, was er ihnen erzählt hat. Etwas in der Art, dass ich im Kampf gegen die Drachen dienlich sein könnte. Zumindest reichte es, um sie zu verunsichern. Was auch immer sie getrieben hat, sie liefen Lissabon an und brachten mich in ein Krankenhaus. Dort erblickte Souphanouvong Keo Thi das Licht der Welt und nahm damit mein Schicksal auf ihre winzigen, runzligen Schultern. Mit ihrer Geburt war ich nicht mehr der letzte Nachkomme des Königs, gab die damit verbundene Bürde an meine Tochter weiter. Nachdem man mich soweit versorgt hatte, packte ich mein Kind und verließ heimlich das Krankenhaus. Ich hatte keine Hoffnung davonzukommen, aber ich musste es einfach versuchen. Welche Götter dabei schützend die Hand über mich hielten, kann ich nicht sagen. Weder die Chinesen noch Rha hatten mein Verschwinden bemerkt und wurden erst hellhörig, als die Krankenhausbelegschaft mich vermisste. Ich irrte durch die Stadt und versteckte mich in einem Park. Keo Thi
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