Die Steinernen Drachen (German Edition)
Körperpartien des Untiers fehlte die Farbe und Leas Haut schimmerte seidig durch die schwarzen Konturen. Kham hatte jetzt einen unvollständigen und einen seitenverkehrten Drachen und entschied, dass dies reichte, um Macht über die Himmelswesen zu erlangen. Er packte Lea am Hals und drehte ihr Gesicht nach Norden. Chin stellte sich neben ihre Tante. Der alte Laote begann wieder mit seiner Beschwörung. Der Säugling weinte. Er drückte ihn fest an sich und sang ihm leise ins Ohr. Das Fieber schüttelte seinen Körper und der Felsblock unter ihm vibrierte. Das Tal und die Gebirgskette erzitterten, die grasbewachsene Ebene bekam Risse, die sich kreuz und quer durch die Senke zogen. Dann brach die Hölle los.
Durch seine erhöhte Position auf dem Altar verfolgte er die nächsten Sekunden, als säße er im Kino. Das Feuer in seinem Körper beeinflusste sein Zeitempfinden und verlangsamte das Geschehen, als hätte die Luft die Dichte von flüssigem Stahl. Noch bevor der erste Schuss durch das Tal hallte, zerplatzte der Kopf des Soldaten, der Xieng in Schacht hielt, wie eine reife Melone. Blut, Gehirnmasse und Knochensplitter spritzen dem Laoten
ins Gesicht. Mehrere Gewehrsalven fegten über Rha und dem Capitaine hinweg und zerfetzten die Brustkörbe von vier weiteren Soldaten. Aus seiner Starre erwacht, hechtete Xieng geistesgegenwärtig zu dem Alten und zerrte ihn hinter ein Zelt, wo sie im hohen Gras verschwanden. Nguyen warf sich schützend vor Kham und verlor dabei seinen heilen Arm. Zwei uranbeschichtete Mantelgeschosse fetzten die Extremität vom Körper, als wäre sie aus Pappmaschee.
Dem Kugelhagel zum Trotz, quälte sich Frank wieder auf die Beine, schirmte das Kind ab und humpelte auf Lea zu. Hinter seinem Rücken schossen die laotischen Soldaten auf die unbekannten Angreifer, die sich oberhalb eines Bergsporns im Eingang des Tals verschanzt hatten. Der Sumomann lag auf seinem Chef und verblutete. Mit jedem Herzschlag schoss eine Blutfontaine aus dem Armstummel und ergoss sich in scharfem Kontrast auf den weißen Kalkstein. Sein verschleierter Blick folgte Frank der Lea zu Boden riss und sich schützend über sie und das Kind kauerte. Allein Chin stand noch aufrecht und wiegte in Trance ihren nackten Körper, ihr Gesicht war unbeeindruckt des Kugelhagels, weiterhin den Steinernen Drachen zugewandt. Projektile pfiffen über den Fels oder sprengten scharfkantige Kalksplitter aus der glatten Oberfläche, die ihrerseits zu tödlichen Geschossen wurden. Wie durch ein Wunder war Prinzessin Tatnha Luang noch nicht getroffen worden.
Er verkniff sich den Impuls, sie ebenfalls niederzureißen und robbte mit Lea an den Rand des Felsens, der dem Schusswechsel abgewandt war. Er rollte sich über die Kante und fiel drei Meter in die Tiefe. Seine Gummibeine konnten den Sprung nicht abfangen. Unsanft schlug er im hohen Gras auf und schrammte sich das Gesicht blutig. Ungeachtet der Schmerzen zwang er sich hoch und streckte die Arme aus. Lea warf ihm ihre Tochter zu und er fing sie so sanft wie möglich auf. Dabei fiel er erneut der Länge nach ins Gras. Er bemerkte noch, wie Lea neben ihm landete und regungslos liegen blieb.
Der Felsquader war jetzt zwischen ihnen und dem Feuergefecht, das über dem Tal wütete. Für Sekunden wagte er zu verschnaufen und hoffte auf ein weiteres Wunder. Er registrierte, wie Lea nach dem Kind griff und es an sich nahm. Zwei Atemzüge später, den Fieberanfall ignorierend, wälzte er sich herum, krabbelte an die Längskante des Altars und schielte um die Ecke.
Das Beben nahm an Stärke zu. Kaum einer der Soldaten konnte sich noch auf den Beinen halten. Die Zelte und der Baldachin klappten in sich zusammen. Durch einen Schleier hindurch beobachtete er das Chaos um ihn herum und er fühlte, wie das Fieber mehr und mehr seine Sinne verwirrte. Die Perspektiven verzerrten sich wie in einem Bild von Henry Moore. Konnte er seinen Sehnerven noch trauen?
Die Kalkkrusten der Bergrücken platzten wie Eierschalen auf und legten rotglühende Schuppen frei. Gigantische Felsplatten wurden abgesprengt und ins Tal geschossen, wo sie gewaltige Krater in die Grasebene schlugen. Die Reisfelder unterhalb der Bergsporne begannen aus ihrem Inneren herauszuleuchten. Lichter schossen senkrecht aus der sumpfigen Brühe und jagten in den Himmel. Ein Feuerwerk ohne Qualm und Rauch. Rote sowie grüne Eruptionen aus purem Licht beleuchteten das erzitternde Bergmassiv. Der Himmel verdunkelte sich und brachiale
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