Die Steinernen Drachen (German Edition)
gestraft. Niemals hätten Sie soweit gehen dürfen. Der Tod ist Ihr Begleiter und wird Ihnen nicht mehr von der Seite weichen.“
„Noch lebe ich“, erwiderte er, den Minister fixierend. Seine Augen waren glasig, aber ungebrochen, und diesen Zustand wollte er möglichst lange bewahren.
Kham senkte als erster den Blick, holte aber sogleich zum Gegenschlag aus. „Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, Ihnen Prinzessin Tatnha Luang vorzustellen. Eine Nichte der ehrenwerten Prinzessin Le Ah Thi Ky, die Sie uns freundlicherweise mitgebracht haben. Aber was rede ich da! Ich vergaß, Sie hatten bereits das Vergnügen sich kennenzulernen“, fügte er grinsend hinzu. „Als Tochter des Prinzen und Parteigenossen Souphanouvong entstammt sie ebenfalls der Monarchenfamilie, wenn ich dies anmerken darf. Und siehe da! Durch ihr ungebrochenes Engagement, Herr Grabenstein, habe ich jetzt drei Prinzessinnen für die Drachen. Wenn auch die Jüngste durch Ihr Zutun ein halber Bastard sein dürfte.“
„Fahr zur Hölle“, fauchte Frank.
Kham zeigte ihm seine Rattenzähne. „Sperrt sie weg! Morgen ist die Zeit gekommen, den Zyklus der Drachen zu erneuern. Bis dahin können sie sich noch ihres kläglichen Lebens erfreuen.“
Die Soldaten nahmen sie wieder in ihre Mitte. Sie verließen den Baldachin und steuerten auf eines der Zelte zu. Der Altar zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Die sinkende Sonne verlieh dem Kalksteinquader eine zartrosa Färbung und ließ ihn dadurch noch mystischer erscheinen. So verrückt es auch klingen mochte, er wusste, dass sich am morgigen Tag auf diesem Fels das Schicksal der Welt entscheiden würde.
Unsanft wurde er ins Zelt gestoßen, ehe er weiter darüber nachdenken konnte. Das olivgrüne Zelt war blickdicht verschlossen und ohne jegliches Inventar. Es maß etwa drei auf vier Meter, was bei den vorherrschenden Lichtverhältnissen aber keine Rolle spielte. Sie saßen im Dunklen. Lea und das Baby, das zu schlafen schien. Xieng, der Königstreue, dessen Absichten er immer noch nicht ganz durchschaut hatte.
Erst nach einer Weile merkten sie, dass sich noch eine fünfte Person unter ihnen befand. Aus einer Ecke des Zelts war ein kaum wahrnehmbares Röcheln zu hören.
„Wer ist da?“, fragte Xieng in die Dunkelheit hinein.
Frank, dem das Tropenfieber mehr und mehr zusetzte richtete sich erschrocken auf. Er schlug mit seinem ohnehin dröhnenden Kopf gegen etwas Metallisches, was von der niedrigen Decke baumelte. Er verkniff sich den Aufschrei, tastete nach dem Gegenstand und fand den Schalter der batteriebetriebenen Lampe. Ein schwacher Lichtkreis erhellte ihre unfreiwillige Unterkunft. Er sah Xieng, der geblendet die Hand hob und etwas ausstieß, das wie ein Fluch klang. Lea entwich ein gellender Laut, dann erkannte auch er, wer dort an der Zeltwand kauerte. Entsetzt betrachtete er das blutig geschlagene Gesicht des alten Mannes, der ihn über die Grenze gebracht hatte. Der Alte hatte ebenfalls seinen Weg in die Drachenberge gefunden. Aus zugeschwollenen Augen blinzelte er sie an. Der Capitaine half dem alten Laoten und zog ihn in den Lichtkegel der Lampe. Man hatte ihn übel zugerichtet. Frank wollte gar nicht wissen, wie die unter der Kleidung verborgenen Körperpartien aussahen. Ihm reichte der Anblick von Gesicht und Händen, um zu realisieren, dass er schwer gefoltert worden war.
Es dauerte fünf Minuten, bis er sich zurecht fand und zu sprechen begann. „Die Prinzessin hat zu ihrer Bestimmung zurück gefunden“, murmelte er, den Blick auf Lea gerichtet.
„Vergiss es, alter Mann“, antwortete sie. „Ich werde nicht für diesen Wahnsinn sterben.“
Er schüttelte den Kopf, als wolle er das Gehörte wieder aus seinem Verstand bekommen. „Was redest du da? Jetzt, wo du soweit gekommen bist. Du bist am Ort deines Schicksals angelangt und immer noch trotzig wie ein kleines Kind. Erkenne, dass du deinem
Pfad gefolgt bist, ob du es wolltest oder nicht. Nun wirst du auch den letzten Schritt tun, so wie die Prophezeiung es verlangt.“
Die Prinzessin blickte in die Runde. „Was glotzt ihr so? Der Alte ist schuld daran, dass ich überhaupt in diese Scheiße geraten bin. Ich habe ihm von Anfang an gesagt, dass ich damit nichts zu tun haben will.“ Lea fing an zu heulen und rutschte zurück an die Zeltwand. Die ganze Zeit über drückte sie das Baby an ihre Brust. Frank und Xieng sahen sich an. Während der Capitaine den alten Mann in die eine Ecke zog, er das Licht aus und tastete sich
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