Die Steinernen Drachen (German Edition)
erreichten sie die Gesänge des Regenwaldes und neben dem Prasseln des Feuers, blieben dies die einzigen Geräusche dieser Nacht. Wortlos aßen sie ihre Rationen, die sie im Camp gesammelt hatten: den kalten Reis aus Blechnäpfen, danach die Bananen und Energieriegel.
Er hing seinen Gedanken nach. Seine Begleiter hatten sich ihrer Geistigkeit entsagt, so als hätte man sie einer Gehirnwäsche unterzogen. Er mochte nicht glauben, dass alles, was er gesehen hatte, nur in seinen Fieberfantasien existiert hatte. Genauso wenig glaubte er daran, dass die Laoten das dramatische Geschehen unterhalb der Steinernen Drachen nicht wahrgenommen hatten. Alle machten ihm etwas vor, als wollten sie erreichen, dass er dies alles schnell vergaß. Aus den Augen, aus dem Sinn!
Aber wie sollte er jemals die Untiere aus seinem Kopf bekommen, das Gemetzel in der Senke und das Blut auf dem weißen Fels? In der trügerischen Hoffnung, dass die Wirkung von Wangs Medikament noch lange anhielt, nahm er sich vor, erst einmal etwas zu schlafen, um neue Kraft zu tanken. Morgen würde er als allererstes mit Lea darüber reden, was nun aus ihnen werden sollte, was sie zu tun gedachte und vor allem, was mit ihrem gemeinsamen Kind geschehen sollte. Unentwegt formulierte er vernunftträchtige Sätze in seinem Kopf, die er nicht im Gedächtnis behalten konnte und schlief schließlich darüber ein. Traumlos glitt er in die Dunkelheit. Ehe sein geschundener Körper in die Phase des erholsamen Schlafes gelangen konnte, katapultierte ihn etwas zurück an die Wirklichkeit. Funken aus der Glut des heruntergebrannten Lagerfeuers wirbelten wild umher und tanzten empor in den Nachthimmel. Er richtete sich auf, spürte aber keinerlei Luftbewegung, keinen Wind, der über die Hochebene pfiff, nicht mal ein laues Lüftchen.
Jemand musste mit schnellem Schritt an der glimmenden Feuerstelle vorbeigehuscht sein. Im schwachen Schein der Glut suchte er nach den Schlafplätzen seiner Weggefährten. Niemand rührte sich. Angestrengt horchte er in die Nacht, aber selbst der Dschungel schien zu schlafen. Nur ein leises Röcheln des Alten war zu hören. Die fluoreszierenden Zeiger seiner Uhr sagten ihm, dass es kurz nach zwei war. Links von ihm, in der undurchdringlichen Schwärze hinter dem Feuer, kullerten ein paar kleine Steine den Hang hinab. Er überlegte, in welchem Rucksack die Pistolen verstaut waren. Wieder drang ein Geräusch aus der Finsternis. Jemand oder etwas umkreiste das Lager. Das Ungetüm aus einem seiner Träume kam ihm ins Gedächtnis. Von Angst getrieben versuchte er aus dem Schlafsack zu schlüpfen, aber es wollte ihm nicht gelingen. Ungläubig strampelte er mit den Beinen. Der zähe, gesteppte Stoff hielt ihn gefangen, zog sich mit jeder Bewegung enger um seinen Körper. An seinen Füßen spürte er einen Sog, der ihn immer tiefer in das Nylongewebe zog. Im Inneren des Sacks wurde es mit jeder Sekunde heißer. Mehr und mehr geriet er in Panik und wand sich wie eine Schlange. Der Schlafsack schnürte ihm die Luft ab. Es war ihm unmöglich zu schreien. Voller Entsetzen schlug er die Augen auf und starrte in das zögerliche Lächeln von Capitaine Xieng.
„Sie haben geträumt“, erklärte dieser in sanftem Tonfall. Hinter seinem linken Ohr, ging gerade die Sonne auf. Erst nach einer Weile konnte Frank akzeptieren, dass dies nur ein Traum gewesen war. Die innere Unruhe wollte trotz allem nicht von ihm abfallen. So schnell es ging, befreite er sich vom Schlafsack und rappelte sich auf. Hektisch sah er sich um. Das Feuer war nur noch ein Häufchen Asche in einem Steinkreis. Über dem Dschungel hing eine dichte Nebeldecke und dämpfte die Gesänge der Waldbewohner. Der feuchte Atem der tropischen Fauna reichte bis fast an ihr Lager hinauf, ein undurchdringlicher Dampf, in dem alles verborgen blieb. Er kniff die Augen zusammen und wünschte sich fast, die Umrisse des Ungetüms aus dem Nebel auftauchen zu sehen, um eine Bestätigung für seinen Umtrieb zu bekommen. Aber nichts dergleichen geschah.
Die Sonne kroch über die Bergkette im Osten und verkürzte die Schatten. Rechts von ihm lehnte der Alte an der Felswand und betrachtete ihn fragend. Xieng legte ihm eine Hand auf die Schulter, wie um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung sei.
„Wo ist Lea?“
„Sie stillt das Kind – hinter den Felsen“, antwortete der Laote und zeigte ihm mit einem Kopfnicken die Richtung. Trügerisch verstärkte sich sein Missfallen an der Situation. Plötzlich hatte er
Weitere Kostenlose Bücher