Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Steinernen Drachen (German Edition)

Die Steinernen Drachen (German Edition)

Titel: Die Steinernen Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
Vom Netzwerk:
Verbindung wurde unterbrochen. Er sah aus dem Fenster auf die Straße. Aus Richtung der Oberfinanzdirektion näherte sich ein Bus. 44 – Westbahnhof stand auf der Anzeige über dem Busfahrer. Hektisch kramte er ein paar Münzen aus der Tasche, warf sie auf den Tisch und jagte aus dem Café. Der Bus fuhr an ihm vorbei. Die Haltestelle lag fünfzig Meter die Straße hoch. Er überquerte die vierspurige Fahrbahn und zwang dabei einen BMW-Fahrer zur Vollbremsung. Der Mann fluchte ihm hinterher.
    Er sprintete unbeeindruckt auf den Bus zu. Die schlummernden Kopfschmerzen in seinen Schläfen fingen wieder an zu pochen. Dafür hatte er Glück; das Aussteigen zweier älterer Damen nahm mehr Zeit in Anspruch, als es der Fahrplan zuließ. Schwer keuchend erreichte er den Bus und schwang sich auf die Rückbank. Von dort konnte er den Überblick wahren. Sein Kopf dröhnte, aber mit abnehmendem Herzschlag wurde das Hämmern unter der Schädeldecke schwächer. Im Bus saßen zwölf Leute. Keiner sah aus, als könnte er Ralf Wiegand sein.
    Der 44er fuhr an, die Rotebühlstraße hoch. Nichts passierte, auch nicht an der nächsten Haltestelle. Woher wusste Wiegand, dass gerade ein Bus kam? Seine Verwirrung wuchs. An der Südwestbank stieg ein langhaariger Kerl in den Bus und ging federnd auf ihn zu. Dabei sah er immer wieder ruckartig von links nach rechts und setzte sich in die Reihe vor ihm. Sein dunkles, strähniges Haar klatschte gegen die Lehne. Unmöglich zu sagen, ob er zwanzig oder fünfzig war. Der Tätowierer trug eine abgewetzte Lederjacke, verschlissene Jeans und dreckige Cowboystiefel. Ein unangenehmer Geruch von altem Schweiß und Alkohol wehte ihm entgegen.
    „Grabenstein?“, flüsterte der Mann, ohne dass er ihn ansah.
    „Ja!“
    Wiegand drehte sich um. Ein ungepflegtes Gesicht, teilweise verborgen unter fettigen Haarsträhnen. Der Mann sah krank aus, hatte eingefallene Wangen und dunkle Ränder unter den Augen. Seine Nase war schief, über der rechten Braue zog sich eine breite Narbe, die weiß leuchtete. Er stank.
    „Sie hatten Glück! Wären Schlitzaugen im Bus gewesen, hätte ich Sie allein weiterfahren lassen.“
    „Woher wussten Sie das mit dem Bus?“
    „Fahrplan im Kopf“, erklärte der hagere Mann und klopfte sich gegen die Schläfe. „Gut so was zu wissen, wenn man schnell abhauen muss.“
    „Und woher kommt Ihre Aversion gegen Asiaten?“.
    „Keine Tätowierungen mehr. Hab’ mich dran gehalten!“ Hektisch sprang er auf, drückte seine Nase gegen die Fensterscheibe und hechtete dann auf die andere Seite des Busses. Einige der anderen Fahrgäste drehten sich kopfschüttelnd nach ihm um. „Keine Tätowierungen mehr“, murmelte er und setzte sich wieder. „Sie beobachten mich.“
    „Wer?“
    „Schlitzaugen!“
    „Asiaten beobachten Sie? Warum?“
    „Keine Tätowierungen mehr. Sie beobachten mich. Hab’ mich dran gehalten!“
    Frank kamen seine kürzlich aufgetretenen Paranoiaanfälle lächerlich vor. Wenn jemand unter echtem Verfolgungswahn litt, dann wohl Wiegand. „Beruhigen Sie sich! Es sind nirgends Schlitzaugen zu sehen“, beteuerte er. Jetzt benutze ich auch schon dieses Wort . Es half. Wiegands Stimme hörte auf sich zu überschlagen und er wandte sich ihm wieder zu.
    „Sie erinnern sich an die Asiatin, die letzten August bei Ihnen war?“
    „Klar!“ Er war ständig in Bewegung, wippte mit seinem Oberkörper, sah nervös von links nach rechts.
    „Was wollte sie?“
    „Drache.“
    Klare Gedanken drängten sich in sein Gehirn. Lea wollte Rache ... den Tätowierer ... nichts gesagt. Lea wollte Drache! War es das, was Kreutzmann mir sagen wollte? Nicht Rache, sondern Drache? „Sie wollte einen Drachen tätowiert haben?“
    „Ja! Drache!“
    „Und weiter ...?“
    Der Bus erreichte die Endhaltestelle und alle stiegen aus.
    „Zahlst du mir ein Bier?“, fragte Wiegand.
    Frank nickte. Sie verließen den Bus und der Tätowierer steuerte eine Kneipe direkt an der Straße an. Es war eine Spelunke: knarrender Dielenboden, speckige Tische und Stühle. Der Wirt sah ihnen mit müden Augen nach. Wiegand warf sich mit Blick zur Tür, auf eine Bank. Rechts von ihm ging es zu den Toiletten.
    „Der Wirt kennt mich. Er gibt mir einen Wink, wenn Schlitzaugen auftauchen. Dann haue ich durch die Hintertür ab“, erklärte er und versuchte überlegen zu wirken.
    Er bestellte zwei Bier, dafür verlangte er Informationen. „Wir waren bei dem Drachen, den Lea tätowiert haben wollte.“
    „Le Ah!

Weitere Kostenlose Bücher