DIE STERBENDE ERDE
einem metallischen Graugrün, die Augen stierten stumpf aus schrägen Falten grünlichen Gewebes. Die Nase war knollenförmig, der Mund ein gelatinöser Wulst.
Unsicher wandte Guyal sich an Shierl. »Scheint es dir nicht auch merkwürdig, daß ein so grauenvolles Werk wie dieses hier im Museum ausgestellt ist?«
Shierl starrte mit vor Angst verzerrtem Gesicht und zitternden Lippen auf dieses Ding. Mit bebenden Händen zerrte sie Guyal am Arm und taumelte in die Haupthalle zurück.
»Guyal!« keuchte sie. »Guyal, schnell, komm heraus!« Ihre Stimme überschlug sich. »Schnell! Schnell!«
Er drehte sich verwirrt zu ihr um. »Was hast du denn?«
»Diese gräßliche Kreatur…«
»Es ist nur das Werk eines verwirrten Künstlers, ein Alptraum…«
»Es – lebt!«
»Was sagst du da?«
»Es le-lebt«, stammelte sie. »Es hat mich angesehen und dann die Augen gerollt, um dich zu betrachten. Es – es bewegte sich wirklich – und da – da zog ich dich heraus…«
Guyal schüttelte ihre Hand ab und drehte sich ungläubig wieder der schauderhaften Fratze zu.
Sie hatte sich verändert. Die Augen wirkten nicht länger stumpf, der Gelatinewulst der Lippen wabbelte, ein Zischen erklang. Der Mund öffnete sich, eine breite graue Zunge schob sich heraus. Und aus dieser Zunge schnellte plötzlich ein mit Schleim überzogener, gallertiger Tentakel. Er bildete eine Krallenhand, die nach Guyals Fußgelenk schnappte. Guyal warf sich hastig zur Seite. Die Monsterhand griff ins Leere, und der Tentakel rollte sich zurück.
Guyal, dem Angst und Grauen den Magen verkrampften, sprang zurück in die Museumshalle. Die Hand erfaßte Shierl, klammerte sich um ihre Wade. Die Augen der teuflischen Fratze glitzerten, und jetzt stieß die schleimige Zunge einen zweiten Tentakel aus. Shierl stolperte und fiel. Guyal brüllte in so schriller, gellender Rage, daß seine Ohren den Schrei nicht aufnahmen, und riß den Dolch aus der Scheide. Er hieb auf die Hand ein, aber die Klinge prallte davon zurück, als graue selbst ihr vor diesem Ungeheuer. Guyal schluckte mühsam die aufsteigende Übelkeit hinunter und packte den Tentakel. Mit größter Anstrengung brach er ihn über seinem Knie.
Das Gesicht verzog sich vor Schmerz, der Tentakel rollte sich zurück. Guyal bückte sich hastig nach Shierl, hob sie auf und trug sie in die Halle.
Voll Furcht und Haß starrte Guyal durch die offene Tür in den kleineren Raum. Wuterfüllt war der Lippenwulst zusammengepreßt, und die Mundwinkel hingen enttäuscht nach unten. Und jetzt sah Guyal etwas Unheimliches. Aus der feuchtglitzernden Knollennase drang weißer, nebelartiger Dunst, der zu wirbeln begann und sich schließlich zu einem Geist mit verzerrtem Gesicht und Augen so leer wie die Höhlen in einem Totenschädel formten – ein Geist ähnlich jenem, dem Guyal in den Bergen begegnet war. Er wimmerte und winselte, denn das Licht störte ihn ganz offensichtlich. Schwankend schwebte er in die Haupthalle und schien zu zaudern.
Guyal blieb stehen. Die Furcht hatte ihren Höhepunkt überschritten, sie hatte keine Bedeutung mehr. Das Gehirn reagiert auf Furcht nur bis zu einem gewissen Grad. Guyal überlegte. Was konnte dieses – dieses Ding ihm anhaben? Er würde es mit seinen Fäusten zerschmettern, es zu dünnen Nebelfetzen zerreißen.
»Halt! Halt! Halt!« ertönte eine neue Stimme. »Halt! Halt!
Halt! Meine Zauber und Amulette … Ein böser Tag für Thorsingol … Aber dann … Hinweg mit dir, Geist. Zurück in die Öffnung. Hebe dich hinfort, hinfort, befehle ich! Hinweg, oder du bekommst meine Strahlen zu spüren. Keine Übertretungen, so bestimmt es das Hohe Lykurgat, ja, das Lykurgat von Thorsingol. So, hinweg mit dir!«
Der Geist zögerte, hielt inne und starrte auf den Greis, der in die Halle gehumpelt kam. Dann zog er sich zurück zu dem klackenden Gesicht in der Nebenkammer und ließ sich von der Nase einsaugen.
Die gräßliche Fratze schnaubte, dann öffnete sie den grauen Mundwulst und stieß eine weiße Flamme aus, die wie Feuer schien und doch keines war. Sie schnellte auf den Greis zu, peitschte gegen ihn, aber der Weißhaarige wich nicht um eine Spur. Aus einem Stab, der hoch oben am Türrahmen befestigt war, löste sich eine Scheibe aus goldenen Funken. Sie zerschnitt die weiße Flammenzunge und vernichtete sie bis zu der Mundöffnung, aus der sich nun eine schwarze Zunge in die wirbelnde Scheibe schob und die Funken absorbierte. Einen Herzschlag lang herrschte tödliche
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