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DIE STERBENDE ERDE

DIE STERBENDE ERDE

Titel: DIE STERBENDE ERDE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Zeit.
    Sämtliche Zaubersprüche und Runen sind auf ihrer Macht aufgebaut und einem gewaltigen Mosaik aus Magie unterworfen. Den Aufbau dieses Mosaiks können wir nicht durchschauen, dazu ist unser Wissen zu didaktisch, zu empirisch, zu willkürlich. Phandaal gelang ein flüchtiger Blick in dieses System. Er war deshalb in der Lage, viele der Zauber zu formulieren, die nach ihm benannt sind. Seit einer Ewigkeit versuche ich schon, die Schleier zu durchdringen, doch bisher waren all meine Bemühungen vergebens. Wem immer es glücken sollte, dieses System zu ergründen, wird jeglichen Zaubers fähig sein, und seine Macht wird alles vorstellbare Maß übersteigen.«
    Also widmete Turjan sich diesem Studium und lernte viele der einfacheren Formeln kennen.
    »Diese Mathematik ist von einer großartigen Schönheit«, sagte er zu Pandelume. »Sie ist für mich keine Wissenschaft, sondern eine wunderbare Kunst, wo die Formeln sich auflösen wie verklingende Akkorde und wo immer Symmetrie herrscht, eine einfache oder auch vielfältige, doch stets von kristallener Klarheit.«
    Trotz all dieser anderen Studien verbrachte Turjan doch die meiste Zeit an den Trögen und erlangte unter Pandelumes Anleitung die Vollendung, die er suchte. Als Entspannung schuf er ein Mädchen von exotischem Äußeren, das er Floriel nannte. Das Haar der Kleinen, die er in jener Karnevalsnacht bei Kandive angetroffen hatte, hatte ihm gefallen, deshalb gab er seiner Kreation fahlgrünes Haar. Sie hatte eine Haut von kremigem Sonnenbraun und große smaragdgrüne Augen.
    Turjan war vor Freude außer sich, als er sie naß und perfekt aus dem Trog holte. Sie lernte schnell und konnte sich schon bald mit ihm unterhalten. Sie war von verträumtem, sehnsuchtsvollem Gemüt und tat nichts lieber als durch die blühenden Wiesen zu wandeln oder still am Fluß zu sitzen. Sie war ein angenehmes Geschöpf, und ihr sanftes Wesen gefiel Turjan.
    Doch eines Tages ritt die schwarzhaarige T'sais mit haßfunkelnden Augen am Fluß entlang und köpfte die Blumen mit ihrem langen Degen. Sie kam auch an der unschuldigen, ahnungslosen Floriel vorbei. Da rief T'sais: »Grünäugiges Weib – dein Aussehen ekelt mich an. Das ist dein Tod!« Und sie mähte sie nieder, hieb ihr den Kopf ab, wie sie es bei den Blumen tat, an ihrem Pfad.
    Turjan, der das Hufgeklapper gehört hatte, eilte aus dem Werkraum und sah gerade noch das Ende des tragischen Schauspiels. Sein Gesicht wurde weiß vor Grimm. Ein Zauberspruch der Verzehrenden Qualen wollte gerade über seine Lippen. Da blickte T'sais ihn an und verfluchte ihn. Als er das Leid in ihrem blassen Gesicht sah und sich an den Grund erinnerte, der sie zu dem gemacht hatte, was sie war, tobten die zwiespältigsten Gefühle in ihm. Schließlich gestattete er T'sais, weiterzureiten, ohne daß er etwas gegen sie unternahm. Er beerdigte Floriel am Flußufer und bemühte sich, sie zu vergessen, indem er sich noch mehr in seine Arbeit und sein Studium vergrub.
    Ein paar Tage später hob er den Kopf von seiner Arbeit.
    »Pandelume? Seid Ihr in der Nähe?«
    »Was möchtet Ihr, Turjan?«
    »Ihr habt doch erwähnt, daß bei Eurer Erschaffung T'sais' ein Fehler, der Euch unterlief, ihr Gehirn verdrehte. Ich würde gern ein Geschöpf wie sie kreieren, mit der gleichen leidenschaftlichen Art, doch von gesundem Geist und Wesen.«
    »Wie Ihr wollt«, erwiderte Pandelume gleichmütig und überließ Turjan die Schablone.
    Also schuf Turjan eine Schwester T'sais'. Tag um Tag beobachtete er, wie der gleiche schlanke Körper und dieselben stolzen Züge Form annahmen.
    Als ihre Zeit gekommen war, setzte sie sich im Trog auf.
    Ihre Augen strahlten vor Lebensfreude. Atemlos half Turjan ihr heraus.
    Naß und nackt stand sie vor ihm, wie eine Zwillingsschwester T'sais', doch während das Gesicht der letzten haßverzerrt war, las er Zufriedenheit und Heiterkeit aus ihrem, und während T'sais' Augen in wildem Grimm funkelten, glänzten die ihren vergnügt, ja gar schelmisch.
    Turjan stand staunend über die Vollendung seiner Schöpfung. »Du sollst T'sain heißen«, sagte er. »Und schon jetzt weiß ich, daß du eine große Rolle in meinem Leben spielen wirst.«
    Er ließ alle andere Arbeit liegen und widmete sich ganz der Ausbildung des Mädchens. Sie lernte erstaunlich schnell.
    »Wir werden bald zur Erde heimkehren«, erklärte er. »Zu unserem Zuhause an einem großen Fluß im grünen Lande Ascolais.«
    »Ist der Himmel der Erde so bunt wie dieser?« fragte

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