DIE STERBENDE ERDE
soll.«
»Was? Die Rune ebenfalls?« fragte Turjan und bemühte sich, seine Stimme so kläglich wie nur möglich klingen zu lassen.
»Oder Euer Leben!«
Turjan tastete in seinen Beutel und umklammerte den Kistall, den Pandelume ihm gegeben hatte. Er zog ihn heraus und hielt ihn gegen seinen Schwertgriff.
»Ho, Kandive«, brummte er. »Ich habe Euren Trick durchschaut. Ihr wollt mir nur Angst einjagen, damit ich aufgebe, aber das werde ich nicht!«
Kandive zuckte die Achseln. »So sterbt!« Er drückte auf die Sprungfeder. Der Fußboden öffnete sich, und Turjan verschwand in der Tiefe. Aber als Kandive hinunterrannte, um der Leiche die Amulette und Talismane abzunehmen, fand er weder einen toten noch lebenden Turjan. So verbrachte er den Rest der Nacht ergrimmt und erbittert grübelnd bei viel zu viel Wein.
Turjan war in das kreisrunde Gemach im Hause Pandelumes zurückgekehrt. Embelyons vielfarbige Lichter strahlten durch die transparente Kuppeldecke auf ihn herab – saphirfarben war das Leuchten und vom Gelb der Butterblumen, aber auch so rot wie Blut. Tiefe Stille herrschte im Haus. Turjan trat aus dem Runenmuster auf dem Boden und warf einen unsicheren Blick auf die Tür. Er hoffte nur, Pandelume würde nicht etwa gar nichts ahnend eintreten.
»Pandelume!« rief er deshalb sofort laut. »Pandelume! Ich bin zurück!«
Nichts rührte sich. Das Schweigen im Haus war fast unheimlich. Turjan wünschte sich, er wäre im Freien, wo der Zaubergeruch nicht so erdrückend war. Er betrachtete überlegend die Türen. Eine führte in den Vorraum, die andere wer weiß wohin. Die rechts mochte vielleicht eine Außentür sein. Er legte seine Hand auf die Klinke, um sie zu öffnen.
Aber dann zögerte er. Angenommen, er täuschte sich und stieß geradewegs auf Pandelume, den er doch nicht schauen durfte?
War es nicht klüger, hier zu warten?
Da kam ihm eine Idee. Mit dem Rücken zur Tür schwang er sie auf.
»Pandelume!« rief er erneut.
Ein schwaches Geräusch drang an seine Ohren, und er vermeinte schweren Atem zu hören. Plötzlich erschrocken trat er in das runde Gemach zurück und schloß die Tür.
Er setzte sich auf den Boden und fand sich damit ab, länger warten zu müssen.
Ein keuchender Schrei kam vom nächsten Zimmer. Turjan sprang auf.
»Turjan? Seid Ihr zurück?«
»Ja, und ich habe das gewünschte Amulett bei mir.«
»Tut schnell, was ich Euch sage«, schnaufte die Stimme.
»Hängt Euch bei geschlossenen Augen das Amulett um den Hals und tretet ein.«
Der Ton der Stimme erschreckte Turjan. Er gehorchte sofort, tastete sich zur Tür, riß sie auf.
Die unheimliche Stille, die ihn schon zuvor beunruhigt hatte, hielt einen Augenblick lang mit noch größerer Intensität an, dann gellte ein Schrei, so wild und dämonisch, daß Turjans Ohren sangen. Gewaltige, flatternde Schwingen verdrängten die Luft. Er hörte ein Zischen und ein Scharren gegen Metall.
Von einem gedämpften Dröhnen begleitet, peitschte ein eisiger Wind in Turjans Gesicht. Nochmal ein Zischen – dann war alles still.
»Seid meiner Dankbarkeit versichert«, sagte die ruhige Stimme Pandelumes. »Nur wenige Male war ich einer solch großen Gefahr ausgesetzt. Ohne Eure Hilfe wäre es mir vielleicht gar nicht möglich gewesen, diese Höllenkreatur zu bannen.«
Eine Hand hob das Amulett von Turjans Hals über seinen Kopf. Nach kurzem Schweigen klang erneut Pandelumes Stimme, ein wenig entfernter diesmal.
»Jetzt dürft Ihr die Augen öffnen.«
Turjan tat es. Er befand sich in Pandelumes Werkraum.
Unter vielem anderen sah er auch Tröge, die seinen eigenen glichen.
»Ich werde Euch nicht mit Worten danken«, erklärte Pandelume. »Aber damit die ordnungsgemäße Symmetrie erhalten bleibt, leiste ich Euch einen Dienst für Euren Dienst.
Ich werde nicht nur Eure Hände führen, während Ihr in den Trögen arbeitet, sondern Euch noch weiteres lehren, das Euch von Wert sein wird.«
Und so ging Turjan bei Pandelume in die Lehre. Den ganzen Tag und bis weit in die opaleszierende Nacht hinein arbeitete er unter Pandelumes unsichtbarer Anleitung. Er lernte das Geheimnis der Wiedergewonnen Jugend, viele Zauber der Alten und ein recht abstraktes, überliefertes Wissen, das Pandelume Mathematik nannte.
»Dieses ungewöhnliche Instrument«, sagte Pandelume,
»erfaßt das ganze Universum. Die Mathematik als solche ist passiv und ohne Kraft, doch löst sie jedes Problem jeder Phase der Existenz, aller Geheimnisse des Raums und der
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