DIE STERBENDE ERDE
Schwarz, böse um sich starrend herumpaddelte. In der Nähe vergnügten sich einige junge Männer damit, Wurfpfeile nach einer hübsch anzusehenden Hexe aus den Kobaltbergen zu werfen, die mit gespreizten Armen und Beinen an Pflöcken auf den Boden gebunden war. In kleinen Sommerlauben boten blumenbekränzte Mädchen schnaufenden Tattergreisen Liebesersatz an. Und überall gaben Schlafende sich den süßen oder aufregenden Träumen hin, die Wunderdrogen ihnen bescherten. Doch nirgends konnte Turjan Prinz Kandive entdecken. Durch den ganzen Palast wanderte er, von Zimmer zu Zimmer, bis er schließlich unter dem Dach zu einem Gemach kam, in dem der goldbärtige Prinz sich mit einem kleinen Mädchen, einem Kind noch, mit grünen Augen und fahlgrün gefärbtem Haar, amüsierte.
Ein sechster Sinn, oder vielleicht auch ein Amulett, warnte Kandive, als Turjan durch den purpurnen Vorhang trat. Der Prinz sprang auf die Füße.
»Geh!« befahl er dem Kind. »Lauf aus dem Zimmer. Unheil lauert ganz in der Nähe! Ich muß es mit Zauber zerschlagen!«
Das Mädchen rannte hastig aus dem Gemach. Kandives Hand tastete nach seinem Hals und zog das verborgene Amulett aus dem Wams. Aber Turjan schützte seine Augen mit den Fingern.
Kandive rief einen mächtigen Zauberspruch, der dem Raum alle Krümmungen raubte. Dadurch wurde Turjans Magie zunichte und er selbst sichtbar.
»Turjan von Miir stiehlt sich durch meinen Palast!« knurrte der Prinz.
»Mit dem Tod für Euch auf den Lippen!« sprach Turjan.
»Dreht Euch um, Kandive, oder ich belege Euch mit einem Zauberbann und durchbohre Euch mit dem Schwert.«
Kandive tat, als wolle er gehorchen, aber statt dessen stieß er die Silben hervor, die die Allmächtige Kugel um ihn entstehen ließen.
»Nun werde ich meine Wachen rufen, Turjan«, erklärte Kandive verächtlich, »die Euch meinen Deodanden zum Fraß vorwerfen.«
Kandive wußte nichts von Laccodels Rune, dem gravierten Reif um Turjans Handgelenk, ein äußerst wirksamer Talisman, der ihn vor jedem Zauber schützte. Während Turjan seine Augen immer noch so bedeckte, daß er des Prinzen Amulett nicht sehen mußte, trat er durch die Allmächtige Kugel.
Kandives große blauen Augen quollen fast aus dem Kopf.
»Ruft doch die Wachen«, höhnte Turjan. »Sie werden Euren Leib von Feuerzungen durchzogen sehen.«
» Euren, Turjan!« schrie der Prinz und murmelte hastig einen neuen Zauberspruch. Sofort peitschten die glühenden Flammen der Exzellenten Prismatischen Berieselung von allen
Richtungen auf Turjan ein. Kandive beobachtete den wilden Hagel mit einem wölfischen Grinsen, aber sein Gesichtsausdruck verwandelte sich schnell in Bestürzung.
Einen Fingerbreit vor Turjans Haut lösten sich die Feuerpfeile in tausend graue Rauchwölkchen auf.
»Dreht Euch um, Kandive!« befahl Turjan. »Eure kindischen Zauber sind nutzlos gegen Laccodels Rune.«
Aber Kandive machte einen Schritt auf eine in die Wand eingelassene Sprungfeder zu.
»Halt!« brüllte Turjan. »Noch einen Schritt, und die Berieselung zerspaltet Euch in abertausend Splitter.«
Kandive blieb stehen. In hilfloser Wut drehte er, wie geheißen, Turjan den Rücken zu. Turjan trat schnell hinter ihn, griff über Kandives Schulter nach dem Amulett und hob es über den Kopf des Prinzen. Das Ding kribbelte in seiner Hand, und ein bläuliches Strahlen drang durch die Finger. Einen Augenblick lang war Turjan wie betäubt und vermeinte ein Murmeln gieriger Stimmen zu hören. Doch er gewann schnell seine Fassung wieder. Er machte ein paar Schritte rückwärts, während er das Amulett in seinen Beutel steckte. Kandive fragte: »Darf ich mich nun wieder umdrehen?«
»Wenn Ihr wollt«, antwortete Turjan mit der Hand fest um den Beutel. Kandive, der bemerkte, daß Turjan durch seine Errungenschaft abgelenkt war, sprang schnell zur Wand und legte die Hand auf die Feder.
»Turjan«, rief er. »Das ist Euer Ende. Ehe Ihr auch nur eine Silbe hervorbringt, öffne ich den Boden unter Euren Füßen und lasse Euch in die dunkle Tiefe fallen. Können Eure Talismane Euch vielleich auch davor schützen?«
Turjan hielt mitten in der Bewegung inne und blickte in Kandives rotgoldenes Gesicht. Dann senkte er scheinbar verlegen die Augen. »Kandive«, jammerte er. »Ihr habt mich überlistet. Laßt Ihr mich frei, wenn ich Euch das Amulett zurückgebe?«
»Werft es her zu mir«, befahl Kandive triumphierend.
»Laccodels Rune ebenfalls. Dann werde ich überlegen, wie weit meine Gnade gehen
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