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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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und hielt ihn bis zum Eintreffen der Stadtpolizei zurück« mit den Worten: »Keinen Schritt weiter, bis die Polizei kommt!« Es wurde nicht erklärt, wie er mit einem bloßen Befehl ein bewaffnetes Subjekt hatte ruhigstellen können, das außer sich war und gerade Unmengen von Blut vergossen hatte – vielleicht hatte er seine Pistole gezogen, aber von einer gezückten, zielenden Waffe war in keiner Version die Rede –, jedenfalls hielt der Parkeinweiser laut mehrerer Quellen immer noch das Messer in der Hand, als die Polizisten auf der Bildfläche erschienen, denn sie mussten ihn auffordern, es fallen zu lassen. Der Penner warf es daraufhin zu Boden, man legte ihm Handschellen an und brachte ihn auf die Bezirkswache. »Nach Aussagen des Madrider Polizeipräsidiums«, so ähnlich stand es in allen Zeitungen, »wurde der mutmaßliche Mörder dem Gericht vorgeführt, hat aber die Aussage verweigert.«
    Luis Felipe Vázquez Canella lebte in der Gegend in einem alten abgestellten Auto, und hier gingen die Zeugnisse der Anwohner wieder auseinander, wie immer, wenn man mehr als eine Person mit dem Erzählen beauftragt oder betraut. Für die einen war er ein ruhiger, anständiger Mensch, der sich nie auf Scherereien einließ: Er suchte Parklücken für die Autofahrer und lotste sie mit den üblichen gebieterischen oder eilfertigen Gebärden seiner Zunft dorthin – manchmal ganz unnötig oder unerwünscht, aber so arbeiten alle
Gorrillas
 – und schnappte sich sein bisschen Trinkgeld. Er kam immer gegen Mittag, legte seine beiden blauen Rucksäcke unter einen Baum und machte sich bei Bedarf an seine Arbeit. Andere Nachbarn behaupteten jedoch, sie hätten genug gehabt von seinen »gewalttätigen Anfällen, seinen Wahnzuständen« und hätten oft versucht, ihn aus seinem unbeweglichen Heim auf Rädern zu vertreiben und aus dem Viertel zu entfernen, bisher jedoch ohne Erfolg. Vorbestraft war Vázquez Canella nicht. Die besagten Anfälle waren einen Monat her und hatten sich ausgerechnet gegen Devernes Chauffeur gerichtet. Der Bettler hatte ihn grob beschimpft und das offene Wagenfenster genutzt, um ihm mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Die Polizei wurde gerufen, nahm ihn vorübergehend wegen tätlichen Angriffs fest, doch am Ende hatte der Chauffeur, der zwar »verletzt« war, ihm nicht weiter schaden und keine Anzeige erstatten wollen. Am Tag vor dem Tod des Unternehmers hatten auch Opfer und Henker einen ersten Zusammenstoß gehabt. Schon da hatte ihn der Parkeinweiser mit seinen Wahnvorstellungen überfallen. »Er faselte von seinen Töchtern, seinem Geld, man wolle ihm alles wegnehmen«, hatte ein Pförtner in der Seitenstraße des Castellana, dem späteren Tatort, ausgesagt, wohl der gesprächigste von allen. »Der Verstorbene erklärte, das sei eine Verwechslung, er habe nichts mit seinen Angelegenheiten zu tun«, lautete eine weitere Version. »Der Penner ging fort, redete wie besessen vor sich hin.« Mit Ausschmückungen und nicht wenigen Freiheiten gegenüber den Beteiligten, hieß es anschließend: »Miguel hätte sich nicht im Traum vorstellen können, dass ihn Luis Felipes Wahn vierundzwanzig Stunden später das Leben kosten würde. Das Drehbuch für ihn stand im Grunde schon einen Monat vorher fest«, Letzteres eine Anspielung auf den Vorfall mit dem Chauffeur, welchen einige der Anwohner für das eigentliche Ziel der Wutanfälle hielten: »Wer weiß, womöglich hatte er es auf den Chauffeur abgesehen«, wurde einem von ihnen in den Mund gelegt, »und seinen Chef mit ihm verwechselt.« Man deutete an, dass der Parkeinweiser wohl schon seit einem Monat gereizt gewesen war, denn seine sporadische Arbeit brachte kein Geld mehr ein, weil in der Gegend Parkuhren aufgestellt worden waren. Eine der Zeitungen erwähnte nebenbei einen verblüffenden Umstand, den die anderen nicht gebracht hatten: »Da der mutmaßliche Mörder die Aussage verweigert hat, konnte nicht festgestellt werden, ob er und sein Opfer verschwägert waren, wie im Viertel behauptet wird.«
    Eine Samur-Ambulanz war in aller Schnelle zum Tatort gekommen. Die Sanitäter hatten Desvern »Erste Hilfe« geleistet, aber angesichts der Schwere seiner Verletzungen wurde er, nachdem sie ihn »stabilisiert« hatten, mit dem Rettungswagen ins Hospital de La Luz gebracht – nach Ansicht zweier Zeitungen war es allerdings das Princesa gewesen, nicht einmal darin waren sie sich einig –, wo man ihn sofort in den OP brachte, mit Herz- und

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