Die sterblich Verliebten
half ich ihm ein wenig, soweit möglich.
Doch nun war ich ganz und gar nicht bei Laune und wimmelte ihn sofort ab, voll Überdruss und etwas böswilliger Tücke: Wenn er sagte, er gehe in einem dunkelgrauen Anzug zu einem
Cocktail
in der französischen Botschaft, empfahl ich ihm kurzerhand nilgrüne Socken und versicherte, das sei das neuste Wagnis, alle würden staunen, was ja im Grunde nicht falsch war.
Liebenswert zu bleiben fiel mir auch bei einem anderen Schriftsteller schwer, der als Garay Fontina firmierte – mit zwei Nachnamen also, ohne Vornamen, das hielt er wohl für originell und geheimnisvoll, es klang aber nach Schiedsrichter auf dem Fußballplatz – und der Ansicht war, der Verlag habe ihm jede Mühe und Unannehmlichkeit aus dem Weg zu räumen, auch wenn es nicht im Geringsten mit seinen Büchern zu tun hatte. Er verlangte von uns, einen Mantel bei ihm abzuholen und in die Reinigung zu bringen, einen Informatiker vorbeizuschicken oder die Maler, ihm eine Unterkunft in Trincomalee oder in Batticaloa zu suchen und seine gesamte Privatreise dorthin zu planen, den Urlaub mit seiner tyrannischen Gattin, die manchmal bei uns anrief oder persönlich auftauchte und nicht etwa mit Bitten, sondern mit Befehlen. Mein Chef hielt große Stücke auf Garay Fontina und war ihm über uns gern gefällig, nicht etwa, weil er so viele Bücher von ihm verkauft hätte, sondern weil er sich hatte einreden lassen, man lade ihn häufig nach Stockholm ein – zufällig wusste ich, dass er dort immer auf eigene Faust hinfuhr, um ins Blaue hinein zu intrigieren und die Luft dort zu schnuppern – und werde ihm den Nobelpreis geben, obwohl niemand ihn nominiert hatte, weder in Spanien noch sonst wo. Nicht einmal jemand in seiner Geburtsstadt, wie es bei so vielen der Fall ist. Doch er stellte es meinem Chef und seinen Angestellten als Tatsache dar, und wir wurden rot bei Sätzen wie »meine nordischen Spione sagen, dass er in diesem oder nächstem Jahr fällig ist« oder »ich habe schon im Kopf, was ich Carl Gustav bei der Zeremonie auf Schwedisch vorsetzen werde, Kleinholz mache ich aus dem, sein Lebtag wird der nichts Wilderes gehört haben, und das in seiner eigenen Sprache, die sonst niemand lernt«. »Ja was denn, was denn?«, fragte mein Chef mit vorauseilender Erregung. »Das wirst du am nächsten Tag in der Weltpresse lesen«, erwiderte Garay Fontina hochnäsig. »Keine Zeitung wird sich das entgehen lassen, und alle werden es aus dem Schwedischen übersetzen müssen, sogar die hiesigen, ist das nicht lustig?« (Es war geradezu beneidenswert, mit wie viel Selbstvertrauen er auf ein Ziel hinlebte, wenn auch beides, Ziel und Selbstvertrauen, frei erfunden waren.) Ich bemühe mich, diplomatisch zu bleiben, meine Stelle wollte ich nicht aufs Spiel setzen, aber jetzt kostete es mich unsägliche Überwindung, wenn ich ihn in aller Frühe mit einer maßlosen Forderung am Telefon hatte.
»María«, sagte er mir etwa an einem Morgen, »ihr müsst mir zwei Gramm Kokain besorgen, für eine Szene im neuen Buch. Jemand soll es mir vorbeibringen, so bald wie möglich, aber auf jeden Fall vor Einbruch der Dunkelheit. Ich will mir die Farbe bei Tageslicht anschauen, nicht, dass ich mich irre.«
»Aber Herr Garay …«
»Garay Fontina, meine Liebe, wie oft habe ich dir das schon gesagt; Garay allein kann jeder heißen, ob im Baskenland, in Mexiko oder Argentinien. Sogar ein Fußballspieler.« So sehr ritt er darauf herum, dass ich mir sicher war, den zweiten Nachnamen hatte er erfunden (bei einem Blick ins Madrider Telefonbuch fand ich keinen Fontina, nur einen Laurence Fontinoy, ein noch unwahrscheinlicherer Name, wie der
Sturmhöhe
entsprungen), vielleicht hatte er auch beide erfunden und hieß womöglich Gómez Gómez oder García García oder sonst etwas doppelt Gemoppeltes, dessen er sich schämte. Wenn es ein Pseudonym war, wusste er sicher nicht, dass Fontina ein italienischer Käse ist, ich weiß nicht, ob von Kuh oder Ziege, den man im Aostatal herstellt, wie mir scheint, und den man vor allem zum Schmelzen gebraucht. Nun gut, es gibt ja auch Erdnüsse mit Namen Borges, was den wohl kaum gestört hätte.
»Ja, Herr Garay Fontina, verzeihen Sie, es war nur um der Kürze willen. Aber wissen Sie«, das konnte ich mir nicht verkneifen, auch wenn es darum gar nicht ging, »zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über die Farbe. Ich kann Ihnen versichern, sie ist weiß, ob bei Sonnenlicht oder Lampenlicht, das ist allgemein
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