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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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wohin sollte ich gehen? Und als ich es versuchte, holte mich der Kerl zurück und schlug mich mit seinem Gürtel über die Nieren.
    Irgendwann begann ich Kokain zu nehmen, aber ich war meist viel zu pleite, um wirklich süchtig zu werden.
    Meine Gedanken kreisten nur noch darum, wie ich mich umbringen könnte. Du wirst sehen, daß selbst das nicht leicht ist, wenn Du absolut kein Geld hast. Und nie unbeobachtet bist. Zwischendurch gab es Zeiten, in denen ich mir einredete, das alles sei nur ein Alptraum, aus dem ich irgendwann aufwachen würde. Und dann kehrte ich in die Wirklichkeit zurück und dachte erneut an Selbstmord. Ich hatte keine Freunde, nur die wenigen ordinären, eifersüchtigen Frauen, die mein Schicksal teilten. Es gibt Dirnen, die zusammenhalten und sich gegenseitig trösten. Ich hatte niemanden.
     
    Di läßt den Brief mit zitternder Hand sinken. Diese Frau, ihr älteres Ich, läßt sie wissen, was ihr zustoßen wird, was der Schreiberin bereits zugestoßen ist. Der Abstieg von der College-Queen zur Straßendirne, krank und dem Selbstmord nahe: Es ist zu entsetzlich, um wahr zu sein – und doch muß sie den Zeilen glauben. Nein, wimmert sie lautlos, aus Angst, Don zu wecken. Nein, das kann nicht – ich kann nicht – Das hier muß eine schreckliche Alternativ-Zukunft sein ...
    Und doch ist sie so real, eine echte Stimme, ihre eigene Stimme, die über die Jahre hinweg zu ihr spricht. Was kann sie tun? Irgendwie wird sie den Ablauf der Dinge ändern, etwas unternehmen müssen, das diese Zukunft unmöglich macht. Aber wie denn, wenn sie alle Fakten wieder vergißt? Bald, schon sehr bald, wird sie in ihre richtige Zeit zurückkehren, wird den Abschlußball besuchen, mit ihrem strahlenden Charme Bill Armitage verzaubern – und alles wird sich so entwickeln, wie es in dem Brief steht. Innerhalb weniger Monate wird es ihr so dreckig gehen, daß sie nur noch daran denkt, sich umzubringen.
    Nein. Was immer sie tut, sie muß es jetzt tun, solange sie sich an die Fakten erinnert. Das Bild des Revolvers in der Nachttisch-Schublade schiebt sich vor ihr geistiges Auge. Ihr älteres Ich hat ihn dort deponiert. Warum?
    Sie schüttelt sich und nimmt erneut den Brief in die Hand. In diesem Moment spürt sie, daß sich etwas gegen ihr Knie preßt. Sie hebt den Kopf und entdeckt Henry Kater, der sich an der Bettkante aufgerichtet hat und  sie unentwegt anstarrt. »Ach, Mieze, Mieze!« flüstert sie verzweifelt. Der  Kater springt aufs Bett, rollt sich umständlich neben  ihr zusammen und beginnt zu schnurren. Sie schluchzt einmal kurz auf, doch dann legt sie eine Hand auf Henrys weiches Fell und liest entschlossen weiter:
     
    Ich hoffe, Du wirfst den Brief nicht weg, Di! Halte durch, Mädchen! Verschaff Dir ein klares Bild! Das also wirst Du sein, etwa drei Jahre lang. Solche Dinge stoßen nur armen kleinen Idiotinnen wie Dir zu! Kapier das, spür das mit Deinem ganzen Körper, nimm es in Deine Seele auf! Krank, hilflos, hungrig, der letzte Dreck! Ich glaube, das war der Preis, den Du für Deinen Ehrgeiz und Deine Überheblichkeit bezahlen mußtest, meine Liebe. Der Preis für die Blindheit, mit der Du Dich einem kalten Egoisten ausgeliefert hast, nur weil er zufällig reich war. William Armitage III. und die eleganten Koffer, die er Dir zum Abschied schenkte! Wenn es ein Wort gäbe, das meine abgrundtiefe Verachtung ausdrücken könnte, so würde ich es hier und jetzt hinschreiben.
    Und Du hattest keinerlei Kenntnisse oder Fertigkeiten. Du hattest nichts gelernt. Du hattest nichts außer Deinem Körper. Das ist es, was ich unter einer >armen kleinen Idiotin< verstehe! Denk darüber nach!
    Nun gut. Und dann kam die Nacht der Nächte. Ich stand im Regen draußen – ich erinnere mich noch genau an diesen Regen, weil ich dick Makeup aufgetragen hatte, um zwei blaugeschlagene Augen und sonstige Prügelspuren zu verdecken. Eine Gestalt kam die regennasse Straße entlang, ein Mann, und ich trat ihm entgegen, ohne ihm ins Gesicht zu schauen. Ich sah mir die Kerle nie an, Sie waren mir egal.
    Und als nächstes hörte ich diese Stimme: »Diane! Diane Fortnum! O mein Gott ...« Ein Alptraum ging in Erfüllung. Jemand hatte mich erkannt.
    Ich versuchte wegzurennen. Aber ich stolperte, und ich fiel hin. Der Mann hob mich auf. Was danach geschah, weiß ich nicht mehr so genau. Ich erinnere mich, daß ich mit einem Taxi fuhr und dann irgendwo eine Treppe hochgeschleppt wurde.
    Di, es war Don Pascal, der mich von der Straße

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