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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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aber ich ließ sie, wo sie waren, obwohl ihre Pein mich außerordentlich schmerzte.
    Es dauerte, wie mir schien, eine Ewigkeit schieren Grauens, bis der Feuerschein endlich schwächer wurde. Ich merkte, daß es regnete. Donner und Blitz gesellten sich dem Inferno zu. Doch es war gut, daß es regnete – die Flammen wurden dadurch erstickt. Zischend stiegen überall gewaltige weiße Dampfwolken hoch. Nur kleine Feuernester blieben übrig.
    Als die Nacht vorbei war, versuchte ich mich vorsichtig zu orientieren. Die einzigen Schäden, derer ich gewahr wurde, waren neun verwelkte Blattpolster und daß mein frisch sprießender Knospenstengel das Feuer nicht überlebt hatte.
     
    Am nächsten Tag, als sich der Waldboden genug abgekühlt hatte, schickte ich zwei meiner Gehilfen los, den Weg zu erforschen, den das Feuer genommen hatte. Und dadurch fand ich heraus, was seitdem mein größter Kummer geworden ist – oben am Bach, zwischen meinem einzigen Nachbarn und mir, war ein verkohlter Baumstamm quer über den Bach gefallen. Er versperrte den Weg unserer Fortpflanzungspäckchen.
    Seitdem habe ich verzweifelt alles Erdenkliche versucht, um das Hindernis zu beseitigen und die Päckchen loszuschicken. Aber meine im Tümpel lebenden Gehilfen sind nicht kräftig genug, um den Baumstamm zu bewegen. Und ich habe nicht so viel Kontrolle über sie, daß ich sie dazu bringen könnte, ihre Kräfte zu vereinen oder sie über längere Zeit nach meinem Willen handeln zu lassen. Es ist jetzt drei Perioden her, daß ich hier isoliert lebe, meine Blüten nutzlos, ihre Eikapseln drückend schwer. Meine Pollenbeutel sind aufgebläht und schmerzen. Drei Wachstumsperioden – vergeblich!
    Ich bin beinahe am Verzweifeln. Kummer und Schmerz haben meine Gedanken verwirrt, meine Kontrolle über die Gehilfen ist brüchig geworden. Mir bleibt nur die Hoffnung, daß eine Überschwemmung oder ein anderes natürliches Ereignis den ins Wasser gestürzten Baumstamm beiseite schaffen wird, aber das scheint unwahrscheinlich. Schwermütig denke ich oft, daß es umsonst gewesen ist, das Feuer überlebt zu haben, nur um seitdem in diesem Zustand zu vegetieren, mehr tot als lebendig.
    Doch diese Nacht ist ein neues, ganz anderes Feuer gekommen. Es ist am Himmel. Durch die Augen eines fliegenden Gehilfen beobachte ich, wie es rasch zu einer sich abwärts bewegenden Flammenzunge wird, den nächtlichen Himmel durchpflügt, bis es in einemaufleuchtenden Feuerschein zwischen den Bäumen am Horizont verschwindet. Einen Augenblick später hört man rumpelnden Donner, doch anders als bei einemnatürlichen Gewitter. Die Ufer des Baches erzittern leicht. Ob jetzt wieder ein Feuersturm durch den Wald gerast kommt?
    Ich schicke meinen Gehilfen zu der Stelle. Tatsächlich, da ist ein Ring züngelnder Flammen am Boden, aber nicht sehr groß. In seiner Mitte liegt ein Felsbrocken oder eine Art Schote. Mein Gehilfe sieht, wie aus der Schote eine schäumende weiße Masse quillt, die das Feuer erstickt, wie es der Regen auch tat, nurviel rascher.
    Eine Zeitlang ist es still. Ich will den Gehilfen gerade freilassen, damit er sich Nahrung suchen kann, als er eine Bewegung an der Schote bemerkt. Sie öffnet sich! Für einen kurzen Augenblick dringt ein Lichtschein aus dem Inneren ins Freie. Dann kommt ein Ding heraus. Was ist das bloß? Es ist groß, größer als irgendeiner meiner Gehilfen, und es hält sich eigentümlich aufrecht.
    Ich versuche Kontakt aufzunehmen, aber ich glaube, es ist zu weit entfernt.
    Doch zu meiner Überraschung scheint dieses Wesen oder Ding zu reagieren. Es bewegt sich, immer noch aufrecht, in meine Richtung. Ich verstärke meinen Ruf.
    Aber inzwischen ist mein Gehilfe zu hungrig geworden und widersetzt sich meiner Kontrolle. Ich lasse ihn frei und rufe einen anderen herbei.
    Als ich wieder sehen kann, entdecke ich, daß das Wesen – es ist eindeutig ein Tier – den Bach erreicht hat und das Ufer entlang in meine Richtung läuft. Unser Kontakt verstärkt sich. Dieses Tier ist außerordentlich vital und weist eine mir unbekannte innere Vielfalt auf. Ich konzentriere mich darauf, seine Lockstoffe, seine Pheromone, zu entschlüsseln. Wieder bin ich überrascht – sie weisen Muster eines lange Zeit andauernden Verlangens auf, wie meine eigenen. Es gibt etwas, wonach sich dieses Tier ebenso stark sehnt wie ich mich danach, von der Barriere des Baumstammes befreit zu werden.
    Als ich imstande bin, die Welt durch seine fremden Augen zu sehen, erkenne ich

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