Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
Cola. Aus dem Glas fischt sie ein Stück Eis heraus. Es fühlt sich angenehm kühl an auf der Zunge. Harry mochte es, wenn sie mit einem Eiswürfel im Mund seine Brustwarzen reizte. Wenn sie damit sein Gesicht und seinen Hals streichelte. Und seinen Schwanz. Harry fand vieles klasse. Wahrscheinlich nicht nur mit ihr. Sicher nicht. Hätte sie ihn bloß nicht zusammen mit der blöden Kuh gesehen. Wahrscheinlich wollten sie erwischt werden. Wenn das stimmt, dann tickt Harry wirklich nicht richtig. Arschloch. Dieser Sack. Ein Riesenarschloch mit einem schlappen Schwanz. Aber sie wird sich rächen. Jetzt gleich löscht sie ihn aus ihren zehn Topfriends.
Sie saugt am Eiswürfel, rührt mit ihm den Zigarettenrauch in ihrem Mund um. Auf ein Stück Papier kritzelt sie Worte für einen Song, der ihr heute Nacht in der Wohnung mit dem Ausblick auf das Raumschiff von Žižkov eingefallen ist. I feel like a little black cat. I’m lost in no-man’s-land.
In Vandas Kopf setzt sich eine Gitarrenlinie in Bewegung. Perfekt. Das müsste klappen. Vielleicht können sie es gleich heute Nachmittag einstudieren. Und schon heute Abend spielen. Vielleicht sogar am Wochenende bei Tony aufnehmen. Sie würde den Song auf Myspace hochladen. So könnte er vielleicht aussehen:
I feel like, I feel like
A little black cat
I feel like, I feel like
I’m lost in no-man’s-land
Ice melting in my mouth
Your arms around my neck
Ice melting on your breast
Our love is taking a test
So kill your little barbie
She wants to escape
So kill your little barbie
She’s running away
I feel like, I feel like
A little black cat
I feel like, I feel like
I’m lost in no-man’s-land
Lost in the silence
Found in the noise
I see the darkness
I don’t have a choice
So kill your little barbie
She wants to escape
So kill your little barbie
She’s running away
Sie ist neugierig, was Tony dazu sagen wird. Eigentlich würde sie auch gerne wissen, wie das Lied dem Arschloch Harry gefallen wird.
»Entschuldigung? Hier wird nicht geraucht.«
Vanda hat die Kellnerin gar nicht kommen hören. Sie sind fast gleich alt. Aber Vanda würde nie »Entschuldigung?« sagen. Oder weiße Socken und Sandalen anziehen.
»Oh sorry … wollt ich nicht …«
Vanda zieht noch einmal an der Zigarette und drückt sie der Kellnerin in die Hand. Die Frau sieht überrascht auf, sie weiß nicht, was sie davon halten soll.
»Ich zahle.«
Vanda holt den zerknitterten Tausender aus ihrer Hosentasche.
»Haben Sie es vielleicht kleiner?«
»Nein.«
»Schlag das Arschloch tot«, schreit einer der Redbulltrinker vor seinem PC. »Mann, scheiß auf die Kalaschnikow. Nimm ’ne Granate. Eine Granate!«
Counter Strike. Eine Vorbereitung für den tschechisch-amerikanisch-irakischen Krieg in Mitteleuropa. Nach Harrys Meinung die beste Vorbereitung fürs Leben überhaupt. Kannst du das hier spielen, kennst du keinen Schiss, hat er mal zu Vanda gesagt. Für dieses Spiel braucht man starke Nerven. Wenn man jemanden liebt, braucht man auch starke Nerven, denkt Vanda. Und noch stärkere, wenn man jemanden hasst.
DER GERUCH DER STADT
I n der Ankunftshalle geht Hana kurz auf die Toilette. Sie spritzt sich kaltes Wasser ins Gesicht, frischt ihr Make-up auf und fährt mit der Hand durch ihre Frisur. Vielleicht sollte sie sich die Haare wieder wachsen lassen und dann einen neuen Schnitt ausprobieren.
Sie zieht ein Parfümflakon aus ihrer Handtasche. MaxMara. Ein paar Tropfen aufs Handgelenk, dann hinter die Ohren. Vielleicht wird sie die Marke wechseln. Vielleicht wird sie auch gar kein Parfüm mehr benutzen, obwohl es ohne in Prag kaum auszuhalten ist. Parfüms schützen vor der übernächtigten und nach Schweiß und Muff riechenden Stadt.
Eine Laufmasche fällt ihr auf. Noch gestern hätte sie das nervös gemacht, sie wäre sich wie eine Versagerin vorgekommen. Heute ist es anders. Sie zieht in der Kabine die Strumpfhose aus und wirft sie in den Mülleimer. Ihre Mutter hat ihr eingeschärft, dass sich eine echte Dame auch bei vierzig Grad Celsius nicht unbestrumpft aus dem Haus begibt. Damals hasste Hana Strumpfhosen. Als sie aber größer wurde und in die Kunst der Verführung eingestiegen war, fand sie Gefallen an ihnen. Es machte ihr Spaß, mit Strapsen und Strümpfen im Bett zu provozieren. Sie wusste, dass man damit jeden, wirklich jeden Typen auf der Welt herumkriegt. Heute jedoch würde sie am liebsten nicht nur die hautfarbene Strumpfhose, sondern auch ihre schwarzen
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