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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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ich mit Jungs vorlieb nehmen.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt, wie jetzt? Wie es sich ergibt.«
    »Hast du Fußball gespielt?«
    »Nein, aber getaucht bin ich.«
    »Getaucht? Du meinst im Meer oder was?«
    »Nein, auf dem Berg, du Dummi … Ja, ich wollte Taucher werden. Die Rätsel der Ozeane ergründen, am Meeresgrund nach Schätzen suchen und so ’n Quatsch.«
    »Das kannst du doch immer noch, oder?«
    »Vielleicht … Wahrscheinlich nicht mehr.«
    »Wenn wir da sind, bringst du mir das Tauchen bei. Dort, wo ich hinwill, ist eine Klippe, an der hört Europa auf. Darunter liegt das Meer. Tief und endlos.«
    »Ich angle uns dann einen Fisch.«
    »Ich brate ihn.«
    »Ich esse ihn auf.«
    »Dann esse ich dich auf.«
    »Abgemacht.«
    »Dummkopf.«
    »Selber Dummkopf.«
    »Du noch mehr.«

FÜNFUNDFÜNFZIG SEKUNDEN RUHM
    V ladimír geht nach Hause. Er steigt langsam die Treppe hinauf, einmal muss er stehen bleiben und Luft holen. Es gibt zwar auch einen Aufzug im Haus, aber in dem engen Raum ohne jegliche Fluchtmöglichkeit hat er sich noch nie wohl gefühlt.
    Er schließt die Tür auf. Sie ist groß, braun und schalldicht. Er betritt die Wohnung, zieht die Tür hinter sich zu und schließt ab.
    Die ganze Welt hat er bereist, um schließlich in der elterlichen Wohnung auf Žižkov zu landen. In einer Wohnung, in der außer ihm keiner mehr leben wollte. Alle sind gegangen oder ausgezogen.
    Seine Frau. Ihre gemeinsamen Kinder, Helena und Martin. Die beiden machen sich Sorgen um ihn. Sie glauben ihm nicht, dass sie in tödlicher Gefahr sind, dass sie dringend nach Stille suchen müssten, dass der Lärm sie allmählich umbringen wird. Sie haben ihm einen Arztbesuch vorgeschlagen. Er hat sie rausgeworfen. Helena hat wieder angerufen und angeboten, gemeinsam mit ihm zum Psychiater zu gehen. Hat ihn besuchen, mit ihm reden wollen. Zum Schluss hat er das Telefonkabel aus der Wand herausgerissen und sich in seinem Labor eingeschlossen. In seiner Einsamkeit.
    Vladimír blättert durch die Prospekte, die er aus dem Briefkasten herausgefischt hat. Zum zweiten Mal an diesem Tag begegnet ihm die Werbung für ein Leben im grünen Paradies der Stille. Sie landet im Papierkorb.
    Auf dem Küchentisch stapelt sich sein Testament. Hunderte herausgeschnittene Kabelstücke, Kabel von Kopfhörern der Menschen, die taub waren für die Welt um sie herum und die er wieder zum Leben hatte erwecken wollen. Es liegen auch Kabel hier, die er aus sprechenden Werbevitrinen in Geschäften und an Straßenbahnhaltestellen herausgerissen hat. Vladimír legt die neuen von heute dazu, dort abgeschnitten, wo Stille vom Lärm vergiftet wurde. Akustischer Smog. Bis auf einen Fall hat ihn nie jemand dabei erwischt.
    Er lässt alles hier liegen. Warum sollte er es verstecken? Das wird als sein Vermächtnis gelten. Genauso wie das Heft mit den Notizen, wann und wo er wen vom Lärm abgeschnitten und in die Stille geleitet hat. Seine Rettungsversuche.
    Insgesamt hat er vierhundertfünfzig Menschen befreit. Davon zwei Drittel Frauen. Er hat sechzig Restaurants vom Lärm abgeschnitten. Und dreißig quatschende Schaufenster und Vitrinen. Dabei hat er fünf Glasscheiben zerschlagen müssen.
    In seinem Heft befinden sich auch Zeitungsausschnitte. Darüber, wie die Polizei ratlos nach einem Phantom sucht, der aus unbekannten Gründen Kopfhörer zerschneidet und Werbung demoliert. Insgesamt achtundzwanzig Artikel. Sie stammen meist aus Boulevardzeitungen, es sind aber auch seriöse Blätter darunter. Er selbst hat bei Zeitungen zwanzig Briefe eingereicht, in denen er die Notwendigkeit von Lärmbekämpfung schilderte. Sie wurden nie abgedruckt. Aber die Kopien befinden sich ebenfalls in seinem Heft.
    Einmal hat er sogar fünfundfünfzig Sekunden lang die Fernsehnachrichten bestritten, als er die Eingangstür eines Privatsenders mit großen weißen Buchstaben besprüht hatte: STILLESTILLE . Für eine kurze Zeit war er zum echten Medienobjekt geworden. Und zum Albtraum der Prager Polizei.
    In der Tischschublade angelt Vladimír nach den unter den Partituren versteckten Medikamentenschachteln. Er bringt sie in die Küche und öffnet sie. Schüttet die Glasröhrchen und Plättchen aus den Schachteln, pult die einzelnen Tabletten heraus. Xanax. Valium. Rohypnol. Diazepam. Die Verpackungen wirft er in den Mülleimer. Vladimír nimmt einen Mörser vom Regal, füllt die Tabletten hinein und stampft sie mit dem Stößel klein.

DAS LAUB
    S ie duscht. Dann rasiert sie sich. Am ganzen

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