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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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Körper.
    Einen Augenblick lang streckt sie sich noch auf dem Bett aus. Am liebsten mag sie ihr Zimmer nachts. Es ist immer so still, dass sie Musik hören muss, um einschlafen zu können. An der Decke leuchtet ein Himmel voller Sterne. Den hat sie bei IKEA gekauft. Als Tapete. Harry findet das kindisch, vielleicht stimmt es auch. Aber nun geht ihn das nichts mehr an.
    Vanda zieht sich um. Schwarze Unterwäsche. Schwarze Leggins. Das rote Minikleid mit dem kleinen schwarzen Schädel auf der Brust, das Mama ihr letzte Woche gekauft hat. Die kurze schwarze Lederjacke. Rote Ballerinas. Die glänzende schwarze Röhrenjeans fürs Konzert packt sie in die Tasche. Und noch ein frisches T-Shirt und ein zweites Paar Schuhe.
    Sie holt ihren Lippenstift hervor und schminkt sich die Lippen rot. Kontrolliert die Tätowierung im Spiegel. Sie juckt immer noch. Die Haut drum herum sieht rot aus. Aber das wird im Publikum keiner bemerken. Sie nimmt den Gitarrenkoffer, stellt ihn an die Tür und geht in die Küche.
    Ihre Mutter sitzt am Tisch und löst Kreuzworträtsel. Neben ihr auf dem Stuhl liegt ein Berg mit Heften, die sie bereits gelöst hat. Es könnten gut und gerne an die fünfzig Hefte sein. Das Radio spielt leise.
    Vanda nimmt sich einen großen Pfirsich aus der Schale auf dem Tisch. Sie pult den Aufkleber Product of Portugal ab und klebt ihn an die Tischkante. Sie beißt hinein. Süß ist der Pfirsich wirklich nicht.
    »Nimm dir was Ordentliches. Im Ofen gibt’s Lasagne.«
    »Ich habe keinen Hunger.«
    »Du musst aber etwas essen.«
    »Du auch, Mami.«
    Ihre Mutter lächelt traurig. Sie hat tiefe Ringe unter den Augen. Bestimmt hat sie schon wieder die ganze Nacht nicht geschlafen und wird bald wieder ihre Ärztin aufsuchen und sich etwas noch Stärkeres verschreiben lassen. Vanda ist froh, dass sie es Vater gesagt hat, dass sie sich gerächt hat. Dafür, dass sie von ihm nicht gekriegt hatte, was sie haben wollte? Nein. Für sich selbst. Für Mama. Vor allem für Mama.
    »Wo warst du heute Nacht?«
    »Mama … Ich bin kein kleines Mädchen mehr.«
    »Wo warst du?«
    »Draußen.«
    »Ich hab dich angerufen.«
    »Ich weiß … Ich war … bei Karla, du weißt ja, wir sind ja … wir waren doch früher immer zusammen skaten, weißt du noch? Sie hat sich von ihrem Typen getrennt und brauchte jemanden zum Reden. Das muss ein totaler Idiot gewesen sein … Sie hat bemerkt, dass er fremdging. Hat ihn dabei erwischt.«
    »Du hättest mir eine Nachricht schicken können.«
    »Der Akku war alle. Tschuldigung.«
    Vanda holt eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank. Schenkt sich ein Glas ein und wirft eine Scheibe Zitrone hinterher. Kleine Luftblasen perlen ihr auf der Zunge. Das mag sie gerne.
    »Hab heute Papa gesehen.«
    »Hm.«
    »Wir waren Mittagessen.«
    »Wie geht es ihm?«
    »Gut … Eigentlich weiß ich es nicht … Mama, ich hab ihm gesagt, dass er nicht mein Vater ist.«
    »Was?«
    »Ich hab ihm gesagt, dass er nicht mein Vater ist.«
    »Was meinst du mit: er ist nicht dein Vater?«
    »Ist er einfach nicht. Das hat ihn ganz schön mitgenommen. Du hättest sehen sollen, wie er zusammenzuckte.«
    »Und wer sollte dann dein Vater sein?«
    »Keine Ahnung. Bloß nicht er.«
    »Warum hast du das gemacht?«
    »Ich wollte Rache. Für dich. Für uns.«
    »Vandi, Schatz, das hättest du nicht …«
    »Was hab ich schon wieder falsch gemacht, verdammt?«
    »Das hättest du nicht sagen dürfen.«
    »Ich hätte ihm noch eine knallen sollen, das hätte ich machen sollen.«
    Mutter schaltet das Radio aus und öffnet das Fenster. Sie fährt sich mit der Hand durchs Haar.
    »Der Herbst fängt an. Schau dir das Laub an. Bald werden die Blätter fallen.«
    Man hört einen Presslufthammer von der Straße. Die gegenüberstehende Villa wird renoviert.
    »Kommst du heute Abend zu meinem Konzert?«
    »Sie sind schon gelb geworden. In einem Monat ist alles weg.«
    »Kommst du?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Du stehst auf der Gästeliste. Du brauchst nur am Eingang deinen Namen zu sagen und kommst umsonst rein. Wenn es Probleme gibt, rufst du mich an.«
    Mutter nickt. Sie hält sich eine Hand vor die Augen.
    »Die Sonne ist aber noch stark.«
    »Mama … sag mal, kannst du mir einen Tausender leihen? Kriegst du gleich nach dem Konzert zurück.«
    »Du hättest das nicht machen dürfen, Schatz.«
    »Ich muss los. Wir haben gleich Soundcheck.«
    »Ich weiß.«
    Mutter dreht sich um und nimmt vom Kühlschrank ihr kleines braunes Portemonnaie. Sie zieht

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