Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
Wochenendhaus seiner Eltern in einem ehemals sudetendeutschen Dorf, in einer alten Werkstatt, die von den Deutschen zurückgelassen werden musste. Riesige Blechstücke, Eisenklumpen, Hämmer, Metallstangen, Drähte und unterschiedlich große Spulen lagen dort herum. Er schleppte alles in den Garten und behängte damit die Bäume. Die sommerliche Sonne schien darauf, die Blechplatten glänzten und schaukelten sanft im Wind, und wenn Vladimír sie sanft mit dem Hammer berührte, gaben sie wunderschöne Klänge von sich. Den ganzen Vormittag verbrachte er mit ihnen.
Sein Vater wollte es verbieten, aber die Mutter ergriff Vladimírs Partei. Und so durfte er noch am nächsten und übernächsten Tag in der prallen Sonne stehen und mit den glänzenden Metallplatten musizieren, während die Nachbarn sich am Zaun die Hälse verrenkten.
Jahre später, wenn er im schwarzen Anzug auf dem Podium stand und sich vor spanischem, französischem oder deutschem Publikum verneigte, fielen ihm manchmal diese Sommertage wieder ein. Bei den Konzerten stand er immer ganz hinten, meistens hielt er die Paarbecken, manchmal auch die Triangel in der Hand. Es störte ihn nicht, dass er nicht in vorderster Reihe stand. Er wusste, welche wichtige Rolle seine Percussions für den Gesamtklang des Orchesters spielten.
Leider ließ seine Begeisterung für Stücke mit Blech bald stark nach.
Er fühlte sich vom Lärm gestört. Versuchte später Rock, Jazz und die Avantgarde zu meiden. Aber die Blechplatten und Eisenstücke, die im Garten von den Bäumen hingen, tauchen trotzdem immer wieder in seiner Erinnerung auf, Blechplatten, die von Birn-, Kirsch- und Apfelbäumen herunterhängen, die Bäume inzwischen längst gefällt und zu Brennholz zersägt.
Das Schlagzeug hat ihn an eine andere Musik herangeführt, an die höchste und vornehmste Musik, die es gibt, an die am wenigsten auffällige und aggressive Musik. An die Musik der Stille.
Noch vor wenigen Augenblicken war seine Frau hier im Raum. Jetzt ist sie nicht mehr da. Vladimír weiß, dass er mit ihr gesprochen hat. Er weiß, dass sie miteinander Liebe gemacht haben. Und er weiß, dass sie fortgegangen ist. Er weiß bloß nicht, wohin.
Er ist allein.
Immer noch sitzt er in seinem Zimmer auf dem Fußboden, den Kopf gegen die Wand gelehnt. Die Wand in seinem Nacken fühlt sich kalt an. Er starrt auf die gegenüberliegende Mauer, an manchen Stellen fällt der Putz von ihr ab, das ist ihm bisher nicht aufgefallen. Zuerst bröckelt eine Schicht, dann die nächste, bis nur noch das nackte Mauerwerk dasteht. Der leise Uranfang aller Dinge. Ähnlich dem Herausschälen einzelner Instrumente aus einer fertigen Komposition, zunächst nimmt man die Stimmen weg, dann die Streicher, die Bläser und zum Schluss das Schlagzeug. Bis nur noch der ursprüngliche Gedanke übrig geblieben ist, die erste umwerfende Idee, die nichts weiter ist als eine Stille, die sich nach Erfüllung sehnt.
Das Fenster steht immer noch offen. Eine kühle Brise weht in das Zimmer, die Vorbotin des kommenden Herbstes. Vladimír hat schon immer die Zeit der Umbrüche geliebt, die Zeit, wenn das Alte zu Ende geht und das Neue noch nicht recht angefangen hat. Aber auch dann schwebt die Vergangenheit wie ein unsichtbares Zittern in der Luft, wie ein Echo hallt sie aus dem Wald der Erinnerungen zurück.
Vladimír sieht auf den Boden. Die Fugen zwischen den einzelnen Dielenbrettern werden immer größer. Vielleicht ist es das, was zum Schluss übrig bleibt. Vielleicht sieht das Leben am Ende genau so aus – abgetreten und voller Fugen, die nicht mehr zu schließen sind. Er steht auf und schließt das Fenster, dann geht er zu seiner Maschine und stellt sie ab. Er will nicht mehr kämpfen.
PC VERSUS MAC
V on Martin kommt eine SMS , dass er zu Hause bleiben muss. Wegen der Familie. Seine Frau mag nicht, dass er sich ständig irgendwo herumtreibt, sie hat keine Lust, immer nur auf ihn zu warten, mit einer Rotznase auf dem Arm. Egon meldet, dass er später kommt. Wie immer. Petr fällt kein einziger Abend ein, an dem Egon pünktlich gekommen wäre.
Er wird auf ihn in der Kneipe warten, die zum Club Akropolis gehört. Das Warten wird er sich mit einem sauer eingelegten Hermelín-Käse versüßen. Und einem Bier. Er wird am Tisch sitzen, rauchen und die Serviererin in ihrem engen schwarzen Rock beobachten, unter dem sich der Slip abzeichnet.
Aus der Küche wird der schwere Gestank der Fritteuse hereinwabern, der typische
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