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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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Ausstellungen, in Konzerte. Das gefiel ihr, am meisten mochte sie es aber, einfach mit ihm allein zu sein und gemeinsame Zukunftspläne zu schmieden. Sie liebte es, im Restaurant seine Hand zu halten, ihn unter dem Tisch mit dem Fuß im Schritt zu reizen, sich von ihm auf die gleiche Weise erregen zu lassen – ohne dabei mit dem Reden aufzuhören. Sie war glücklich und sah keinen Grund, warum sie seine Hand loslassen sollte, sie wollte ihn für immer und ewig behalten.
    Zuerst nannte sie ihn Herr Doktor Groß. Später Herr Groß. Und zum Schluss war er Der Große. Der Name hing nicht etwa mit seinem Penis zusammen, wie Milena vermutete. Obwohl sie auch ihn liebte, er war ja der erste, den sie je in den Mund genommen hat. Der Große war einfach groß. Er überragte alles. Er war größer als alle Männer, mit denen sie bisher zusammen gewesen war, er war größer als alle, die sie kannte. Er überragte ihr ganzes bisheriges Leben.
    Er imponierte ihr. Sie wollte ihn. Und als er eines Tages sagte, dass er doch nicht die Scheidung einreichen würde, konnte sie ihn nicht gehen lassen. Sie hatte das Gefühl, er sei genau der Mann, mit dem sie ihr ganzes Leben verbringen möchte, er sei der Richtige für sie. Sie heulte Rotz und Wasser. Hörte auf zu essen.
    Milena wusste das. Sie wusste aber nicht, dass Hana ihm in Caféhäusern auflauerte, in denen sie früher zusammen gesessen hatten, dass sie ihn beschattete und es nicht ertragen konnte, ihn auf der Straße mit seiner Frau oder einer Studentin zu sehen, dass sie sich für nicht ausreichend schön und sexy hielt und sich dafür bestrafte, indem sie immer weniger aß, dass sie ganze Nächte wach lag, sich in der Dusche mit dem Schlauch auf den Hintern schlug und heulte, bis sie kraftlos auf dem Fliesenfußboden zusammenbrach, dass sie sich in die Handgelenke schnitt und zusah, wie ihr Blut ins Waschbecken tröpfelte, dass sie ihm und seiner Frau anonyme Drohbriefe schrieb … Bis sie eines Tages anfing, ihn zu hassen und darüber nachzudenken, wie sie ihn und dann sich selbst töten könnte. Zunächst dachte sie darüber in ihren Träumen nach, später auch gleich nach dem Aufwachen.
    Die Rettung fand sich auf dem Schwarzen Brett an der Uni: eine Ausschreibung für einen Stipendienaufenthalt in Genf. Bereits drei Monate später saß sie im Nachtbus und winkte Milena zum Abschied zu.
    Mit drei anderen Studentinnen teilte sie sich eine Dreizimmerwohnung im Viertel Plainpalais. Die Fenster gingen auf einen Platz hinaus, auf dem es jeden Sonntag einen Flohmarkt gab und wo sich Hana der Reihe nach ihre gesamte Einrichtung besorgte. Zum Kaffeetrinken ging sie in die Ferblanterie, in der das ganze Jahr über die Schaufenster mit leuchtendem Weihnachtsschmuck dekoriert waren, und für Konzert bevorzugte sie die l’Usine, wo man zwischen den Songs die Rhône rauschend der See entströmen hörte. Ausstellungen gab es im Artemis, wo jeden Abend Punker direkt im Hof Bier brauten.
    Hana hörte Vorlesungen in Politologie und Philosophie. Sie fand eine Schwarzarbeit, schmierte belegte Baguettes und stank nach allen Käsesorten der Schweiz. Sie unternahm ausgedehnte Wanderungen am See entlang, zählte die verschneiten Alpengipfel in der Ferne und suchte nach der Stelle, an der ein geistig verwirrter Anarchist die Kaiserin Sissi mit einer Nagelfeile tötete, als sie auf einem Dampfer Tee trinken wollte.
    Sie bemühte sich, Kontakte zu knüpfen, aber sie begegnete nur sich selbst und ihrer Einsamkeit, sie wollte jemanden aufreißen, aber alle machten einen großen Bogen um sie, als strahlte sie etwas Krankes, Dunkles und noch nicht Abgeschlossenes aus …
    Eine gewisse Veränderung stellte sich allerdings ziemlich bald ein. Es war nicht mehr sie, die in ihren Träumen den Großen beschattete, sondern der Große verfolgte sie. Immer wieder versuchte er, Hana umzubringen. Mit einer Nagelfeile, einem Messer, einmal sogar mit Gas. Wiederholt flehte sie ihn auf Knien an, er möge sie töten – er konnte es aber nicht über sich bringen. Jedes Mal löste er sich nach ein paar Sekunden wieder auf und Hana wachte schweißgebadet und gelähmt vor Angst auf. Sie fing an zu schwimmen und Sport zu treiben.
    Als sie sechs Monate später nach Prag zurückkehrte, arbeitete der Große immer noch an der Fakultät. Einmal liefen sie sich zufällig über den Weg. Er lächelte sie nett an und lud sie zum Abendessen ein. Hana sagte zu, aber in dem Restaurant auf der Prager Kleinseite mit Blick auf die

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