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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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unter den Arm, als sie aus dem Bus stiegen und über den Parkplatz schlenderten. Sie konnte es kaum erwarten, ihn Ghengis zu zeigen – Ghengis war ein kluger Mann, der sich mit den wichtigen Dingen im Leben auskannte, und würde sich von ihrem Schnäppchen bestimmt beeindruckt zeigen.
    Sie schoben sich durch die Menge, hinunter zum Hafen, wo sämtliche Baumstämme weiß angestrichen waren, was sie aussehen ließ, als trügen sie Petticoats, um ihre Blöße zu bedecken. Der Wind rauschte laut durch die Blätter. Jemand hatte einen der Bäume mit kleinen Lichtern geschmückt, die in der Brise auf und ab wippten. Männergrüppchen saßen an den Straßenecken beisammen, die Älteren nippten an ihrem Tee und spielten Okki. Wie üblich unterbrachen sie ihre Gespräche und sahen ihnen nach. Kaum waren sie am Jazzcafé vorbeigegangen, schrie ihnen ein alter Mann mit einem gewaltigen, nikotinverfärbten Schnurrbart etwas hinterher und wedelte aufgebracht.
    »Was hat der denn für ein Problem?«, fragte Clem.
    Johnny nahm ihre Hand und beschleunigte seine Schritte. Er konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wie die Männer sie angafften. Manchmal fassten sie sie sogar an, griffen ihr zwischen die Beine oder begrapschten ihre Brüste, obwohl Johnny direkt neben ihr stand. Er ging noch schneller. Vereinzelte Regentropfen sprenkelten den Bürgersteig. Sie eilten zum Hafen hinunter, wo sich der schwache Schein der Straßenlampen entlang der Uferpromenade auf der glitzernden Wasseroberfläche spiegelte. Verwaiste, an den schweren Eisenhaken vertäute Boote tanzten auf den Wellen auf und ab, begleitet vom Klirren der Takelage. Ein gelber Mond schob sich ab und an hinter den Wolken hervor und erhellte das Kastell auf der anderen Seite des Hafens, während Musik aus den Bars und Restaurants drang.
    Inzwischen hatte der Regen zugenommen, deshalb legten sie das letzte Stück bis zu Ghengis’ Pension im Laufschritt zurück. Sie bemerkten, dass drüben im Jachthafen Betrieb herrschte: Mehrere Streifenwagen standen herum, und uniformierte Polizisten leuchteten die Boote mit ihren Taschenlampen ab. Johnny klopfte an die Tür, doch es machte niemand auf. Er klopfte noch einmal, diesmal lauter. Ein Fensterladen wurde geöffnet, und Ghengis streckte den Kopf heraus. Er sagte etwas auf Türkisch, was sie nicht verstanden, und sah sich nervös um. Eilig schloss er das Fenster, und wenig später hörten sie ihn die Treppe heruntergelaufen kommen. Die Tür ging auf.
    »Los, schnell rein«, sagte er, zog sie ins Haus, schloss eilig die Tür hinter ihnen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Johnny. So hatte er Ghengis noch nie gesehen. Normalerweise war er ein freundlicher Mann, der stets ein Lächeln auf den Lippen hatte.
    »Ihr müsst gehen, Johnny«, flüsterte er. »Ihr müsst Bodrum sofort verlassen.«
    »Was? Aber wieso?«
    »Ich weiß nicht, was passiert ist, aber sie suchen euch überall.« Ghengis wirkte völlig verängstigt, sein Blick huschte immer wieder hektisch zur Tür.
    »Wer? Wer sucht nach uns?«, fragte Johnny und spürte, wie seine Euphorie und Ausgelassenheit über ihr nächtliches Abenteuer schlagartig verflog.
    »Heute Morgen waren sie bei eurem Zelt. Sie haben es abgerissen und eure Sachen genommen. Sie sind zu Attila gegangen und haben sich an einen Tisch gesetzt. Er hat nichts gesagt.«
    »Wer, Ghengis? Von wem redest du? Von der Polizei?«
    »Vielleicht. Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Böse Männer. Sie sind zum Hafen gegangen, zu dem Mann aus Australien …«
    Johnny rutschte das Herz in die Hose. »Sie haben Aussie-Dave geschnappt?«
    Mit dem Australier sollte man es sich tunlichst nicht verscherzen. Er und Clem hatten mehrere Wochen für ihn gearbeitet. Dave hatte sein eigenes Boot gebaut, mit dem er Waffen, Teppiche und Gott weiß was sonst noch schmuggelte. Er würde sich Johnny und Clem höchstpersönlich vorknöpfen, sofern die Typen sie nicht vorher erwischten.
    »Er ist im Krankenhaus. Sie haben sein Boot kaputt gemacht …«
    »O mein Gott«, rief Clem und wurde kreidebleich.
    »Sie waren heute Morgen hier und haben mich nach einem Laster aus Großbritannien gefragt. Sie wissen, dass ihr auf Kos wart. Sie sind nach Kos gefahren und wieder zurückgekommen, dann sind sie nach Marmaris gefahren und auch wieder zurückgekommen. Sie warten schon auf euch. Ihr müsst fort. Bevor sie euch finden. Geht. Los, schnell, geht!«
    »Aber das hatte nichts mit uns zu tun,

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