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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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Antwort verkniffen, denn sie spürte, wie sie das letzte Fünkchen Mut verließ. So etwas durfte er nicht sagen. Johnny durfte keine Angst haben. Solange er keine Angst hatte, würde ihnen nichts passieren, sondern alles wieder gut werden. Sie spürte Panik in sich aufsteigen.
    Er nahm ihre Hand. In der Dunkelheit rannten sie den Kiesstrand entlang. Der Regen schluckte das Geräusch ihrer Schritte. Am Ende des Strands kletterten sie auf die Kaimauer. Johnny schwang sich die Segeltuchtasche wieder über die Schulter. Mit abgewandten Gesichtern eilten sie im Halbdunkel am Ufer entlang. Immer wieder traten sie zwischen die vertäuten Segelschiffe, die allesamt verwaist und verschlossen dalagen, vorbei an den Fischerbooten und verlassenen Wracks. Clems Finger fühlten sich winzig und nass in seiner Hand an. Sie mussten an den Booten vorbei und dann wieder hinauf auf die Straße.
    Lärm und Gelächter drangen aus dem Café mit der gelben Markise, als sie daran vorbeihasteten. Am Ende des Kais erschienen zwei Männer mit Taschenlampen an der Stelle, wo die Straße, die sie eigentlich erreichen wollten, die Hafenstraße kreuzte. Einer von ihnen rief dem anderen etwas zu, woraufhin Johnny und Clem sich eilig in den Schatten eines Segelboots zurückzogen. Johnny stieß einen unterdrückten Fluch aus.
    »Johnny«, flüsterte Clem kleinlaut. »Hinter uns sind vier Männer.« Er fuhr herum. Clem hatte recht. Vier Gestalten standen etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt in der Dunkelheit und kamen in ihre Richtung.
    »Los, ins Boot«, befahl er. Sie stiegen über die Klampen und Taue hinweg, kletterten achtern über die Reling und arbeiteten sich geräuschlos in Richtung Cockpit vor. Vielleicht könnten sie eines der Boote klauen, aber das würde ihnen auch nichts nützen – sie mussten am Jachthafen vorbei. Es war die einzige Möglichkeit, den Männern zu entkommen.
    »Wir müssen nur irgendwie dort rüber«, sagte er und spähte über das Heck hinweg in Richtung Straße, wo die Männer immer noch herumlungerten. »Es sei denn, wir nehmen die andere Seite …« Er blickte zum Kastell und den Felsen dahinter.
    Mit eingezogenen Köpfen warteten sie im Cockpit, bis die Männer sich in zwei Gruppen aufgeteilt hatten – eine bezog unter der gelben Markise des Cafés Posten, die andere kehrte zum Jachthafen zurück. So leise wie möglich kletterten sie in der Dunkelheit auf das nächste Boot, dann aufs übernächste. Johnny hatte sich die Tasche wie einen Rucksack umgeschnallt, während Clem nach wie vor ihren Gebetsteppich umklammert hielt.
    Hinter ihnen ertönten laute Rufe, dann schweifte der Lichtkegel einer Taschenlampe über die Takelage und die Decks der Boote hinter ihnen. Damit blieb ihnen nur ein Fluchtweg: Sie mussten so schnell wie möglich zu den Felsen unter dem Kastell laufen, wo sich die riesigen, künstlich angelegten Wellenbrecher nebeneinander auftürmten.
    Sie rannten durch den strömenden Regen, während hinter ihnen noch immer die Rufe ertönten und die Lichter der Taschenlampen über die Wasseroberfläche glitten, doch erst als sie die Felsen erreicht hatten, wagten sie es, sich umzudrehen. Atemlos, klatschnass und völlig verängstigt kletterten sie auf allen vieren über die regenfeuchten Findlinge. Prompt rutschte Clem auf einem von ihnen aus und stieß einen Schmerzensschrei aus. Sie hatte sich das Gesicht aufgeschürft. Johnny packte sie am Handgelenk und zerrte sie weiter. Er hielt sie so fest, dass das Blut in ihren Fingern pochte und sich ihr Arm anfühlte, als würde er ihn aus der Gelenkpfanne reißen. Erst als sie das Ende des Felsvorsprungs erreichten, blieben sie kurz stehen und drehten sich um. Von den Männern mit den Taschenlampen war nichts mehr zu sehen, zwei von ihnen suchten die Boote in der entgegengesetzten Richtung ab, und die anderen waren irgendwo entlang der Straße verschwunden.
    »Großer Gott«, japste Clem und rang nach Atem, während ihr die Tränen übers Gesicht strömten. »Was wollten die von uns?« Sie zitterte unkontrolliert am ganzen Leib.
    Johnny sah die Männer planlos auf den Booten herumklettern und ließ sich gegen den Felsen sinken.
    »Was werden die mit uns machen?«, rief sie.
    »Ich hab verdammt noch mal keine Ahnung, Clem«, antwortete er, während sein Blick hektisch über den Hafen schweifte. Woher zum Teufel sollte er ständig alles wissen? Er zog sie zu sich herüber, damit der Lichtkegel der Taschenlampen sie nicht erfassen konnte. Sie kauerten sich

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