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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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die Schnittwunde zu begutachten, ehe er sie mit einem der Handtücher trocken tupfte.
    »Das sieht ziemlich schlimm aus«, stellte er fest, während ihm die dichten Locken ins Gesicht fielen.
    Sie nickte. »Ich bin auf den Felsen ausgerutscht«, sagte sie, nahm ihm das Handtuch ab und betupfte die Wunde. Eine Frage flackerte in seinen Augen auf, erlosch jedoch sofort wieder, als sie keine Anstalten machte, fortzufahren. Sie wusste nicht recht, wo sie anfangen sollte. Stattdessen starrte sie ihn schweigend an, während sie noch immer zu verarbeiten versuchte, was passiert war. Ein Teil von ihr schien nach wie vor im strömenden Regen zu stehen und weder aus noch ein zu wissen.
    »Na ja, da oben gibt es auch eine Straße«, gab der Bärenmann zwinkernd zurück.
    Sie musterte ihn. Er musste Ende dreißig sein, mit dunklen Augen und dunklen Locken, einem tief gebräunten, wettergegerbten Gesicht mit unrasierten Wangen und Kinn. Doch am auffälligsten war der Geruch, den er verströmte. Ein Geruch, der ihr bekannt vorkam. Nach derselben Seife, die auch ihr Dad immer verwendet hatte. Sie schloss die Augen und ließ zu, dass er sie weiter untersuchte.
    Johnny schälte sich aus seinen Sachen. Seine pitschnasse Jeans und sein T-Shirt lagen auf einem Haufen zu seinen Füßen. Splitternackt stand er mitten in der Kombüse und rubbelte sich mit einem Handtuch trocken, als die Frau und das kleine Mädchen zurückkehrten. »Oh, Entschuldigung«, sagte er und bedeckte eilig seine Blöße.
    »Da ist nichts, was wir nicht schon mal gesehen hätten«, gab die Frau mit einem Lächeln zurück und stellte den Verbandskasten auf den Tisch. Verblüfft registrierte Johnny die Veränderung, die das Lächeln auf ihren Zügen bewirkte. Mit einem Mal war sie bildschön. Das kleine Mädchen legte einen Stapel Kleider auf den Tisch. »Da sollte sich etwas Passendes für euch finden«, meinte die Frau.
    »Vielen Dank«, sagte Johnny zu dem kleinen Mädchen, das sich hinter den Beinen seiner Mutter versteckte, ohne jedoch die großen dunklen Augen von ihm zu lösen, als er die Sachen durchzusehen begann.
    »Los, zurück ins Bett, Smudge«, sagte die Mutter und zerzauste der Kleinen das Haar, woraufhin sie davonflitzte. Die Frau öffnete den Verbandskasten, der Mittelchen gegen so ziemlich jede erdenkliche Krankheit enthielt. Der Mann kramte darin herum und zog eine ganze Reihe an Salben und Medikamenten heraus und machte sich an die Arbeit.
    »Alles klar, Kleine?«, fragte er sie mit seiner sanften Stimme.
    Sie öffnete die Augen und nickte, während er mit geübten Bewegungen den Deckel auf eine Salbentube schraubte. Ihr fiel auf, dass an zwei Fingern seiner rechten Hand die Spitzen fehlten.
    »Tja, das sollte erst mal reichen«, sagte er und grinste sie an, wobei er zwei gerade, strahlend weiße Zahnreihen entblößte. »Und jetzt solltest du auch zusehen, dass du aus den nassen Sachen rauskommst.«
    Johnny hatte sich inzwischen etwas Trockenes angezogen – ein Paar viel zu weiter Shorts, die er mit einem Gürtel in der Taille zusammengebunden hatte, und ein weites Sweatshirt, das augenscheinlich dem Bärenmann gehörte.
    Clem schälte sich ebenfalls aus ihren triefnassen Hosen, während sie ihre zerschrammten Beine wie die einer Fremden betrachtete. In ihren Knöcheln und Füßen steckten etliche dünne, braune Seeigelstachel. Ganz langsam knöpfte sie ihre Bluse auf, steifte sie ab und reichte sie der Frau, die sie gemeinsam mit den restlichen nassen Sachen nahm und in die Dusche trug. Nackt bis auf die Unterhose, die ihre Blöße nur notdürftig bedeckte, stand Clem da und betrachtete ihren von blutenden Wunden übersäten Körper. Johnny schlang ein Handtuch um sie und begann, sie trocken zu rubbeln.
    »Die werden wir gleich rausziehen«, sagte die Frau und nahm eine Pinzette aus dem Verbandskasten. »Hier, zieh das über.«
    Sie reichte Clem ein weites T-Shirtkleid, half ihr beim Überziehen und legte ihr eine Strickjacke um die Schultern. Clem setzte sich neben Johnny an den Tisch und sah wortlos zu, wie die beiden Fremden einander Scheren, Pflaster und andere Utensilien reichten und sich an ihren Knöcheln und Füßen zu schaffen machten.
    Johnnys Haut begann zu prickeln, als sich die Wärme in seinem Körper ausbreitete. Er lehnte sich zurück, lauschte dem Regen, der auf das Kajütendach prasselte, und dankte Clems Gott und ihrem Gebetsteppich dafür, dass sie sie zu diesen netten Menschen geführt hatten. Sie waren nicht mehr ganz

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