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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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und wartete voller Anspannung auf seinen alles entscheidenden Sprung: einen dreifachen Rückwärtssalto mit Schraube. Noch war er dabei, sein umfassendes Aufwärmprogramm zu absolvieren und seine Glieder zu dehnen und zu strecken, um die Nerven etwas zu beruhigen. Smudge war hin und weg von Johnnys Kommentaren. Sie kreischte vor Entsetzen, wann immer Gilla seinen Mut zusammennahm und auf Zehenspitzen über die Spiere tänzelte, und vor Verzückung, als ihn die Angst überkam, er schlotternd einen Rückzieher machen und sich von den Sanitätern behandeln lassen musste. Doch diesmal sprang er todesmutig in die Höhe und stürzte sich unter Saltos und Schrauben von der Spiere in die See. Smudge rannte zur Reling und zog den vollgesogenen Affen wieder an Bord.
    »Diesmal wird sein Mut mit einer glatten Zehn von sämtlichen Kampfrichtern belohnt!«, trompetete Johnny mit seiner besten Kommentatorenstimme und holte die Schnur ein. »Jaaa, Gilla, der Grilla, hat die Goldmedaille für Großbritannien geholt!« Smudge und er brachen in begeisterten Beifall und laute Rufe aus, ehe das kleine Mädchen unter Deck verschwand, um etwas zu holen.
    »Da hast du einen echten Fan gewonnen«, sagte Frank und beugte sich über den Eimer, um einen frischen Köder herauszuholen. »Ich glaube, Smudge ist das erste Mal im Leben verliebt.«
    In diesem Augenblick tauchte Smudge strahlend mit einer Goldmünze an einem Band aus der Kabine auf. »Sieh mal! Gillas Goldmedaille!«, verkündete sie stolz.
    »Was ist denn das?« Johnny nahm ihr die Medaille aus der Hand.
    »Daddys Medaille«, antwortete sie und schwang sich wieder aufs Kabinendach. »Aber wir können sie auch als Lympiamedaille benutzen.«
    Johnny sah zu Frank hinüber, der einen Angelhaken zurechtbog.
    »Franks Medaille?«, wiederholte Johnny und betrachtete die Vorderseite der Medaille mit den Profilen eines Königs und einer Königin und den vier ringsum angeordneten hellblauen Emailleblättern. »Für Gott und das Empire« lautete die Gravur.
    »Was ist das?«, fragte Johnny. »Ein Order of the British Empire?«
    »So was in der Art«, antwortete Frank, den Blick fest auf den Haken gerichtet, an dem er einen Tausendfüßler befestigte.
    »Die Queen hat ihn ihm verleiht«, erklärte Smudge.
    »Verliehen, Smudge«, korrigierte Frank und drückte den Haken mit den Zähnen zusammen. »Verliehen.«
    »Die Queen hat ihn ihm verliehen«, wiederholte sie. »Los, Johnny, jetzt gibt’s die Medaillen.«
    »Wow! Wofür?«, hakte Johnny nach und drehte die Medaille hin und her. »Was hast du gemacht?«
    »Nicht viel. Nur meinen Job«, erwiderte Frank desinteressiert und durchstieß den Tausendfüßler mit einer beherzten Bewegung.
    »Und was war das für ein Job?«
    »Ein stinklangweiliger«, sagte Smudge und zerrte Johnny am Arm. »Los, komm.«
    Frank zwinkerte seiner Tochter zu. »Die Met«, antwortete er und zog behutsam den gekrümmten Tausendfüßler in die Länge. »Ich habe für die Met gearbeitet.«
    Johnny starrte ihn mit offenem Mund an. »Du bist Bulle?«
    » War . Ich war Bulle. Aber nach einer ziemlich fiesen Begegnung mit einem Zehntonner auf der M4 musste ich in den Frühruhestand versetzt werden.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein«, erwiderte Frank und betrachtete den Tausendfüßler, der inzwischen leblos am Haken hing.
    Johnny musterte Frank forschend, in der Hoffnung auf eine Erklärung. Oder ein Lächeln. Doch Franks Miene war ausdruckslos.
    »Ich dachte, du wärst gegen das Establishment und alles, wofür es steht.«
    »Und welche bessere Ausgangsposition gibt es, um die Strukturen zu verändern, als es von innen heraus auszuhöhlen?« Er schnippte ein Stück Tausendfüßler mit der Zehe ins Wasser.
    Johnny rieb sich den Nacken, den Blick immer noch auf den Orden geheftet. »Wofür hast du den verliehen bekommen?«
    »Sagen wir einfach, es war meine Spezialität, Leute zu knacken.« Er trat zu Clem. »Alles halb so wild, Johnny«, wiegelte Frank ab und hielt die Angelrute mit dem Tausendfüßler daran von sich. »Der offizielle Segen des Establishments … Es bedeutet rein gar nichts.«
    Er wandte sich ab und kehrte zu Clem aufs Deck zurück.
    »Wieso hast du den Orden dann angenommen?«, rief Johnny ihm hinterher.
    Lachend schwang Frank die Angelrute über die Reling. »Weil es unverschämt gewesen wäre, es nicht zu tun.«
    »Wieso beißen die Fische denn nicht?«, hörte Johnny Clem fragen, während sie sich über die Reling lehnte und ins seichte Wasser

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