Die stillen Wasser des Todes - Roman
war. Hinter Freddie sah er Dougs bleiches, vor Schreck erstarrtes Gesicht, und er wusste, dass er der Sache ein Ende machen musste, koste es, was es wolle.
»Ross, wir können das alles in Ruhe –«, begann er, doch Freddie schien entschlossen, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen.
»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du uns alle abknallen und damit davonkommen kannst?«, verhöhnte er Ross. »Nach allem, was du getan hast?«
»Das wollen wir doch sehen«, sagte Ross und richtete die Pistole auf Freddies Brust.
Plötzlich bemerkte Kincaid aus dem Augenwinkel eine Bewegung, und im selben Moment gelang es Finn, sich aus Kierans Umklammerung zu befreien. Nur ein verschwommener schwarzer Strich war zu sehen, als der Hund sich auf Ross stürzte.
Ross fuhr herum und schoss – mehr aus Überraschung als mit Absicht, wie es Kincaid im Chaos des Augenblicks schien.
Der Hund heulte vor Schmerz auf und ging zu Boden. Ross taumelte rückwärts zur Tür, als hätte der Rückstoß der Pistole ihn erschreckt, und zugleich sprang Kieran mit einem Schrei voller Wut und Entsetzen auf.
Kincaid warf sich auf Ross und versuchte den Arm mit der Waffe zu packen, während im gleichen Moment eine andere Gestalt zur Tür hereinstürzte, in der Hand eine lange Stange.
Er – nein, sie , wie er jetzt erkannte – Tavie, es war Tavie Larssen – und sie schwang nicht etwa eine Stange, sondern ein Ruder. Es gab ein lautes Klatschen, als das Ruderblatt Ross an der Schulter traf. Die Pistole flog ihm aus der Hand, knallte auf den Boden und rutschte unter einen Tisch.
Kincaid rammte Ross mit aller Kraft. Er hörte ihn vor Schmerz ächzen, hörte wie die Luft aus seiner Lunge entwich, als er zu Boden krachte und Kincaid auf ihm landete. Dann hatte Kincaid ihn im Klammergriff, und Freddie und Doug eilten schon herbei, um seine Arme und Beine zu packen. Freddie bekam Ross an seinen schütteren Haaren zu fassen und knallte seinen Kopf mit voller Wucht auf die Dielen.
»Aufhören! Alle beide aufhören! Haltet ihn einfach nur fest«, rief Kincaid, doch mit wutverzerrtem Gesicht ließ Freddie Ross’ Kopf schnell noch einmal auf den Boden krachen.
Tavie stand über ihnen wie eine kleine Ninja-Kriegerin und holte wieder mit dem Ruder aus, doch die Schläge auf den Kopf schienen Ross vorübergehend betäubt zu haben.
»Haltet ihn fest«, ächzte Kincaid und begann seinen Gürtel aus der Hose zu ziehen. Ross war auf dem Bauch gelandet, und Kincaid wollte, dass er auch so liegen blieb. Handschellen, dachte er. Warum hatte er nie die verdammten Handschellen dabei?
Dann ließ Tavie das Ruder sinken und griff in ihre Tasche. »Hier«, sagte sie, und sie klang überrascht. »Das ist Toshs Leine. Ich habe sie aus Versehen mitgenommen.« Sie reichte ihm den Riemen aus weichem Leder.
Während Kincaid die Leine um Ross’ Handgelenke schlang und fest zuzog, sagte Freddie verwundert: »Das ist Beccas altes Oxford-Ruder. Wo haben Sie –«
»Es stand in einer Mülltonne neben der Haustür. Ich habe nach dem Erstbesten gegriffen, das –« Tavie brach ab und schnappte nach Luft, als ihr Blick an Freddie vorbeiging, und sie rief voller Entsetzen: » O Gott! Finn!«
Da erst merkte Kincaid, dass Kieran nicht bei ihnen war. Als er den Kopf hob, sah er ihn mitten im Zimmer auf dem Boden sitzen. Er hatte Finns Kopf auf seinen Schoß gebettet.
Kincaid konnte nirgends Blut sehen, doch der Hund hechelte, und das Weiße in seinen Augen war sichtbar. Als Tavie sich neben die beiden kniete, nahm Kieran eine Hand von dem dunklen Fell des Hundes, und sie war blutverschmiert.
»Nein«, flüsterte Kieran und blickte flehend zu Tavie auf. »Bitte nicht. Ich kann – ich kann nicht sehen, wie schlimm es ist.«
Während Tavie mit ihren kleinen, geschickten Händen den Hund untersuchte, hievte Kincaid sich von Ross’ Körper hoch. Freddie hielt Ross’ Schultern am Boden, und Doug saß auf seinen Füßen, während er in sein Handy schrie, dass die Verstärkung sich gefälligst sputen sollte, und sie sollten auch einen Krankenwagen schicken. Und um Himmels willen einen Tierarzt!
Ross überzog sie alle mit einer Flut von Verwünschungen, während Freddie ihn wieder und wieder aufforderte, endlich die Klappe zu halten, sonst würde er ihm noch eine Kopfnuss verpassen.
Sie waren alle, wie Kincaid mit verspätetem Erstaunen registrierte, wohlauf.
Alle bis auf den Hund.
Finn, der Beccas Mörder identifiziert hatte. Finn, der sein Bestes gegeben hatte, um sie zu
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