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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Feuer, Philippa! Bald wird es kühl, und dann wirst du in deinen Lumpen frieren.«
    Sie wollte ihm ins Gesicht schreien, daß sie keine Lumpen trug, sondern ihr neues Kleid. Doch sie beherrschte sich und blieb ruhig. Sie sah noch einmal nach Edmund und ging dann neben Walter her. Einer seiner Männer hatte eine Decke auf dem Boden ausgebreitet. Sie ließ sich darauf nieder. Von dem langen Reiten tat ihr der Rücken weh. »Laß den Jungen sich auch aufwärmen!« sagte sie nach einer Weile.
    Es war schon beinahe völlig dunkel, als die beiden Männer mit einem Fasan und zwei Kaninchen zurückkamen. Nach dem Essen hüllte sich Philippa in eine Decke, zog Edmund zu sich auf den Boden und wartete. Es dauerte nicht lange, und Walter wurde redselig. »Als ich hörte, daß de Fortenberry dich gefangen hält, habe ich sofort deine Befreiung geplant.«
    »Wie hast du davon gehört?«
    »Du mußt wissen, Kusine«, antwortete er würdevoll, »daß ich auch treue Diener habe. Der Zisternenwart von St. Erth hat mir über deine Lage berichtet. Der Mann berichtete mir, wie sein Herr dich schlecht behandelt und belästigt hat. Er hat dich gegen deinen Willen in seinem Schlafzimmer eingesperrt und dich vergewaltigt. Und dir sogar vor allen seinen Leuten das Kleid zerrissen und dich dann aus dem Saal geschleppt, um dir wieder Gewalt anzutun. Der Mann sagte, daß Alain, der Verwalter, dich umbringen lassen wollte und daß er, der Zisternenwart, und ein anderer das übernehmen sollten. Da wußte er allerdings noch nicht, daß du meine liebe Kusine bist. Ich habe ihn getötet. Für dich, Philippa. Ich habe ihm auf der Stelle die Gurgel durchgeschnitten. Du brauchst nie wieder Angst vor ihm zu haben.«
    Ihrer Ansicht nach hatte der Zisternenwart zwar den Tod verdient, aber daß sie mitanhören mußte, in welch grausig kaltblütiger Weise das geschehen war... Jedenfalls glaubte Walter, sie wäre mißbraucht worden. Nun, das war für ihn ein logischer Schluß. »Weiß mein Vater Bescheid?«
    »Du meinst Lord Henry? Nein, noch nicht.«
    »Was hat dir der Mann sonst noch erzählt?«
    »Daß sein Herr Lord Henrys Wolle gestohlen und dich gezwungen hat, die Web- und Näharbeiten zu beaufsichtigen. Daß er dich wie eine Sklavin und Hure behandelte. Wie hat man denn Alain entlarvt?«
    Philippa wollte nicht, daß Walter die Wahrheit erfuhr. Er sollte nicht wissen, daß sie die Betrügereien aufgedeckt hatte, weil sie in Sorge um das Wohlergehen von St. Erth und seinem Herrn gewesen war. So antwortete sie nur: »Er hat sich dumm angestellt: Einer von des Burgherrn Männern hat ihm das Genick gebrochen.«
    »Gut«, sagte Walter. »Ich wünschte nur, ich hätte etwas für dich tun können, meine Süße. Ich weiß natürlich, daß der Verwalter dich gefürchtet hat und deshalb deinen Tod herbeiwünschte, weil du lesen, schreiben und rechnen kannst. Da ahnte er gleich, daß du ihm auf die Schliche kommen würdest. Ein Jammer, daß er versucht hat, dich umzubringen. Er war mein treuer Diener. Er hat St. Erth um allen Wohlstand gebracht, und eine Menge Geld, das dem Schurken de Fortenberry gehört hatte, fand so den Weg in meine Schatztruhe.«
    Philippa merkte, daß Edmund sich rührte, und legte ihm rasch die Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen. »Walter, wirst du mich zu meinem Vater zurückbringen?«
    »Noch nicht, Philippa, nicht gleich. Erst sollst du Crandall in Augenschein nehmen, die Burg, die mir anvertraut wurde. Und du brauchst ja auch Kleider, die deiner Stellung entsprechen. Ja, du sollst weichen Hermelin tragen, vielleicht einen scharlachroten Rock und das feinste Leinen für deine Hemden. Danach sprechen wir dann über deinen Vater.«
    Sie sah ihn mißtrauisch an. Was ging hier vor? Warum benahm sich Walter so, als sei er in sie verliebt? Ihre Stellung? Sie war seine Kusine und sonst nichts. Nein, es war unmöglich, daß er ein Auge auf sie geworfen hatte. Er glaubte ja, Dienwald hätte sie zu seiner Geliebten gemacht. Hatte ihr Vater ihn vielleicht aufgesucht? Ihm versprochen, daß er seine Kusine zur Frau bekäme, wenn er sie fände? Ihm eine Mitgift zugesagt? Das erschien Philippa als einzige logische Erklärung für Walters verliebtes Verhalten. Denn kein Mann würde sie haben wollen, wenn er wußte, daß sie die Jungfernschaft verloren hatte und keine Mitgift erhalten würde.
    »Schaffen wir es morgen bis Crandall?«
    Er nickte. Dann gähnte er. »Bei mir bist du sicher, Philippa. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Ich werde

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