Die Stimme des Blutes
beruhigte sich Daria. Katherine legte ihr einen dicken Druckverband aus weißen Baumwolltüchern an. Neben dem Bett lagen die blutgetränkten Kleidungsstücke.
Es war vorbei.
Jemand drückte ihr eine Tasse an den geschlossenen Mund. Auf Rolands Geheiß trank sie davon und sank dann wieder in seine Arme. Ihr war klar, daß es ein Schlaftrunk war. Erst jetzt bemerkte sie, daß Roland ihr das durchgeblutete Hemd ausgezogen, ihr den Schweiß vom Körper gewaschen und sie in einen Schlafrock aus weichem kühlem Stoff gehüllt hatte.
Leise hörte sie Katherine sagen: »So etwas ist nicht ungewöhnlich, Roland. Sie wird wieder gesund werden, und ihr werdet auch wieder Kinder bekommen. Sie hat sich am Nachmittag überanstrengt -deshalb hat sie das Kind verloren. Dafür hat sie Graelam gerettet. Niemand trägt irgendeine Schuld - der liebe Gott hat es wohl so gewollt.«
Roland schwieg.
Ein qualvolles Schweigen, das für Katherine kaum erträglich war. »Es ist sicherlich am besten so«, sagte sie. Als er weiter schwieg, sagte sie noch einmal: »Es ist am besten so, Roland.«
Daria kämpfte gegen die dunklen Schatten an, die sich vor ihre Augen senkten. Sie lachte rauh, ein häßlicher Klang. Dann sprudelte es aus ihr heraus, von schweren Atemzügen unterbrochen: »O Mutter, du hast ja so recht. Es ist wirklich am besten so. Am besten nämlich für Roland. Das Kind ist tot, und Roland schweigt. Er muß ja warten, bis er vor aller Welt seine Freude kundtun kann - so klug ist er. Er will dich und andere nicht durch seine offensichtliche Freude schockieren.« Und sie lachte, bis ihr die Tränen über das Gesicht strömten. Plötzlich spürte sie, wie er ihr die Wangen streichelte. Da hörte sie auf zu lachen, und die Tränen versiegten. Der Mohnsaft tat seine Wirkung. Noch einmal sah sie das blasse, angestrengte Gesicht ihres Mannes vor sich, dann wurde es dunkel um sie.
Roland dachte: So viel Blut! »Bist du gewiß, daß sie wieder gesund wird, Katherine? Sie ist so bleich ...«
»Sie hat eine Menge Blut verloren, aber sie ist von Natur aus stark und gesund. Das wird sie bald überwunden haben und auch zu Kräften kommen. Dann hast du sie wieder.«
Während er ihren Atemzügen lauschte, hörte er noch einmal im Geist ihre Worte, die ihn verdammten, und es schmerzte ihn tief.
»Was hat sie wohl damit gemeint - daß du vor Freude jubeln wirst?«
Roland schaute Katherine de Fortescue an und schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte er.
Doch so leicht war Katherine nicht abzuspeisen. Offen erklärte sie: »Sie hat bestimmt etwas damit gemeint. Ich bin doch nicht blind, Roland. Ihr beide liegt im Streit miteinander. Meine Tochter ist todunglücklich, und du ... es kommt mir vor, als hieltest du dich von ihr fern. Was kann sie gemeint haben? Was hast du ihr getan?«
Da sagte Roland: »Der König und die Königin wissen es, aber sonst niemand. Das Kind, das sie bekommen wollte, war nicht von mir.«
Katherine fuhr zurück. »Nicht von dir? Das erscheint mir unsinnig! Nein, das kann nicht sein ...«
»Ich weiß nicht, von wem das Kind war. Höchstwahrscheinlich vom Grafen von Clare. Vielleicht auch von einem anderen Mann, den ich nicht kenne. Nein, es war nicht ihre Schuld, darauf könnte ich einen Eid leisten. Daria ist eine gute, treue Frau. Sie würde mich nie betrügen. Jemand hat sie vergewaltigt.«
Katherine starrte ihn weiter an. Ruhelos hin und her gehend, sagte er mehr zu sich als zu ihr: »Aber weißt du, sie behauptet hartnäckig, das Kind wäre von mir. Und davon war sie nicht abzubringen, auch wenn alles darauf hindeutete, daß sie diese Geschichte erfunden hatte. Ich habe ihr wiederholt versichert, daß ich immer auf ihrer Seite stehen und wegen des Kindes nicht geringer von ihr denken würde. Ich habe sie angefleht, mir zu sagen, wer ihr gegen ihren Willen Gewalt angetan hat. Aber sie beharrte darauf, das Kind wäre von mir. Sie behauptete, mir eines Nachts ihre Jungfräulichkeit geopfert zu haben, als ich schwerkrank war und im Fieberwahn lag. Ich kann das nicht verstehen. Aber nun ist es ja vorbei, und in Zukunft wird es keine Zwietracht mehr zwischen uns geben.«
Jetzt war es an Katherine zu schweigen. Sie war bis ins Innerste erschöpft. Ihre Tochter würde nun viele Stunden im Heilschlaf liegen. Katherine öffnete die Tür. Draußen stand Sir Thomas. Mit einem Lächeln sagte sie: »Ich möchte mich zur Ruhe begeben, Sir.«
»Ich bringe Euch zu Eurem Zimmer, Katherine«, sagte Sir Thomas und reichte ihr
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