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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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regungslos verharrenden Graelam hart ins Gesicht, wieder und immer wieder. »Du darfst nicht sterben! Graelam, verflucht noch mal! Nein! Du darfst nicht sterben! Nicht wie mein Vater! Ich lasse dich nicht sterben! Nein!«
    Doch er blieb so regungslos wie zuvor. Ohnmächtige Wut erfaßte sie. Zum zweitenmal hatte sie ein Unglück vorausgesehen. Und nun sollte sie wiederum hilflos dagegen sein? Sie trommelte mit den Fäusten auf seine Brust, sie schrie ihn an, sie beschimpfte ihn, verbot ihm, zu sterben und seine Familie im Stich zu lassen. Und dabei schlug sie ununterbrochen auf ihn ein. Sie zitterte vor Erschöpfung und Angst, doch ihre Wut war stärker. Sie ließ nicht nach. Immer wieder landeten ihre Fäuste auf seiner Brust.
    Und plötzlich hob sich Graelams Brust. Einmal und noch einmal. Dann ächzte er. Es war der schönste Laut, den Daria in ihrem ganzen Leben vernommen hatte.
    Sie schrie vor Freude. Sie hatte gewonnen. Er war nicht gestorben. Diesmal hatte sie eine Vision gehabt, die sie nicht zur Tatenlosigkeit verdammt hatte. Es war keine Vorankündigung gewesen, sondern eine Warnung. Sie rüttelte ihn an den breiten Schultern, nahm seinen Kopf in die Hände und tastete seine Stirn, das Kinn und den Schädel ab. So weit sie es beurteilen konnte, war nichts gebrochen. Dann schlug er die Augen auf und sah zu ihr hoch.
    »Graelam«, sagte sie ganz leise, nah an seinem Gesicht, »du lebst! Als mein Vater starb, konnte ich es nicht verhindern. Aber du bist am Leben geblieben. Mylord, Ihr lebt!«
    »Was, zum Teufel, geht hier vor?«
    Die Männer, die sie umringt hatten, traten zurück und ließen Roland durch. »Daria, was ist passiert? Graelam, was ...«
    Lächelnd sagte sie: »Er lebt, Roland! Es war wie bei meinem Vater, doch Graelam ist am Leben geblieben. Diesmal war es keine Voraussage, sondern eine Warnung.« Sie stand auf und gab mit ruhiger Stimme Anweisungen. »Bringt Lord Graelam auf die Burg! Er hat wahrscheinlich schwere Rippenverletzungen erlitten. Seid vorsichtig, Roland!«
    Dann ging sie ohne ein weiteres Wort davon.
    Roland befahl den Männern, Graelam aufzuheben. Seine Fragen konnte er später stellen. »Vorsicht!« sagte Roland und half mit.
    Als Graelam einige Zeit später auf dem Bett lag, sah Roland, daß er tatsächlich schwere Rippenverletzungen davongetragen hatte. »Daria hat recht. Du kommst wieder auf die Beine. Aber eine Woche lang wirst du starke Schmerzen haben. Was ist eigentlich geschehen, Graelam?«
    »Ich habe an deiner verdammten Mauer gearbeitet. Plötzlich brach sie ohne Vorwarnung zusammen, und ich wurde unter den • Trümmern begraben. Das ist alles.«
    Nein, das ist nicht alles, dachte Graelam. Etwas Merkwürdiges hatte sich ereignet. Er erinnerte sich deutlich der Schmerzen, als die
    Steine ihn getroffen hatten. Dann hatte er auf irgendeine Weise seinen Körper verlassen. Ein blendendes und dennoch völlig klares Weiß war um ihn gewesen ... nichts sonst... nur dieses dichte, undurchdringliche und doch klare Weiß. Und dann hatte er gehört, wie Daria ihn anschrie, er dürfe nicht sterben, dürfe nicht so enden wie ihr Vater. Und dann war er auf einmal wieder in seinem zerschundenen Körper gewesen, und er hatte sogar ihre Faustschläge auf seiner Brust gespürt. Langsam war das Weiß zurückgewichen und schließlich verschwunden, und er war wach und am Leben, und er fühlte Schmerzen, und sie kniete über ihm, redete allerlei unsinniges Zeug und betastete seinen Kopf.
    »Wie war denn das mit Darias Vater?«
    »Er ist vor etwa drei Jahren bei einem Turnier ums Leben gekommen.«
    »Ich verstehe.« Aber richtig verstand er es nicht. Ganz leise sagte er: »Roland, deine Frau hat mir das Leben gerettet.«
    »Es stimmt, sie hat einige Steine von dir weggeräumt. Aber so viele waren es gar nicht. Die meisten hatten die Männer schon entfernt.«
    »Nein, es war mehr... viel mehr ...« Graelam verstummte. Er sagte kein Wort mehr, bis Daria mit einem Krug in der Hand hereinkam. Ihr folgte ihre Mutter mit Tuchstreifen über dem Arm.
    Daria sagte: »Ihr müßt das hier trinken, Mylord. Es betäubt die Schmerzen, und danach könnt Ihr eine Zeitlang schlafen. Meine Mutter verbindet Euch die Rippen. Habt ihr noch irgendwo Schmerzen?«
    Graelam schüttelte den Kopf. Während er das bittersüße Gebräu trank, ließ er sie nicht aus den Augen. Bald versank sein Kopf in den Kissen. Doch bevor er die Augen schloß, sagte er: »Vielen Dank, Daria. Ich verdanke Euch mein Leben.«
    »Was

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