Die Stimme des Feuers
vier Augen sprechen, Vater?«
»Wie du wünschst«, sagte Maurice. Er legte den Arm fest um ihre schmalen Schultern, und so betraten sie den großen Saal. Er räusperte sich: »Meine Liebe ... eins muß ich dir noch sagen.«
»Ja, Papa?«
»Hier ist jemand, mit dem ich dich bekannt machen will«, sagte er heiser. »Es ist meine Frau.«
»Deine Frau !«
Maurice nickte. Er wagte sie dabei nicht anzusehen. »Sie heißt Marie und stammt aus der Normandie. Kennengelernt habe ich sie in Lyon. Sie war Witwe ... Ah, meine Liebe!« rief er erleichtert, denn er sah Manie auf sie zukommen.
Kassia schwirrte der Kopf, so unerwartet kam ihr die Eröffnung des Vaters. Sie hatte eine Stiefmutter! Und dann sah sie eine anmutige Frau von etwa 35 Jahren vor sich. Sie hatte rabenschwarze Haare, sanfte braune Augen und einen hellen Teint.
Maurice ließ seine Tochter los. »Meine Liebe«, sagte er. »Das ist Kassia. Sie ist zu Besuch gekommen.«
»Wie hübsch du bist!« sagte Marie und reichte ihr die schöne weiße Hand. »Maurice spricht so oft von dir ... und natürlich auch von deinem Mann.« Erwartungsvoll schaute sie sich um.
»Mein Mann ist nicht mitgekommen«, sagte Kassia.
»Das macht nichts«, sagte Marie, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, daß eine Frau ohne ihren Ehemann eine so weite Reise machte. »Ich hoffe, daß wir Freundinnen werden, Kassia. Komm, meine Liebe, ich bringe dich auf dein Zimmer. Du mußt müde von der Reise sein.«
Mit ihrer neuen Stiefmutter begab sich Kassia in die oberen Räume. »Du bist eine große Überraschung für mich«, sagte sie freimütig.
»Dein Vater und ich sind gerade vor drei Wochen nach Belleterre zurückgekommen. Ich glaube, er wollte dir und deinem Ehemann in den nächsten Tagen eine Botschaft schicken.«
Drei Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen, kamen auf sie zugerannt.
»Meine Kinder«, sagte Marie. »Ich fürchte, mit der Ruhe ist es jetzt vorbei.«
»Das sind aber hübsche Kinder!« rief Kassia.
»Gérard und Paul, kommt her und begrüßt eure Schwester! Und du, Jeanne, mach einen schönen Knicks!«
»Oh, meine Liebe«, sagte Kassia und brach in fröhliches Gelächter aus. »Ich bin überwältigt!«
»Mylord, vor uns ist ein Lager.«
Dienwald brachte sein Pferd zum Halten. »Sind es Franzosen? Habt Ihr eine Fahne gesehen?«
»Ja, Mylord. Auf weißem Hintergrund drei aufgerichtete schwarze Wölfe mit aufgerissenen Rachen.«
Dienwald schüttelte besorgt den Kopf. »Der Wolf von Cornwall«, sagte er leise. Graelam! Nun, er hatte es Kassia ja vorausgesagt, daß ihr Mann sie verfolgen würde. Es würde ein Leichtes sein, Graelams Lager ungesehen zu umreiten. Schon wollte er den Befehl dazu geben, da besann er sich eines anderen.
Graelam streckte sich auf dem schmalen Feldbett aus, zog eine Decke über sich und wollte seinen müden Körper dem Schlaf überlassen. Morgen würde er Kassia Wiedersehen. Seine Wut über ihr Verschwinden war längst verraucht. Wieder einmal dachte er an die Botschaft, die sie ihm hinterlassen hatte. »Mach dir keine Gedanken um meine Sicherheit, Mylord!« hatte sie geschrieben. »Ich werde gut beschützt sein.« Von wem? fragte er sich. Schon einmal hatte sie Dienwald de Fortenberry gekauft. Wahrscheinlich hatte sie es diesmal wieder getan. »Mein Vater wird dir kaum die Schuld an meinem Versagen geben. Auf jeden Fall wirst du Belleterre von ihm erben. Ich kann nur hoffen, Mylord, daß du eine Lady findest, die dir mehr zusagt.«
Graelam hörte ein leises Rascheln. Jemand hatte die Zeltklappe angehoben. Sofort war er auf der Hut, setzte sich auf und griff nach dem Schwert.
»Haltet ein, Lord Graelam!« sagte eine tiefe Männerstimme. Dann sah er eine Klinge silbern aufblitzen.
»Was ist?« brummte er, ohne den Schwertgriff loszulassen. »Ich will nichts von Euch, Mylord. Ich bin nicht in feindlicher Absicht gekommen.«
»Wer, zum Teufel, seid Ihr?«
»Dienwald de Fortenberry. Schon einmal hätte ich Gelegenheit gehabt, Euch kennenzulernen. Eure Frau hat mir das damals erspart.«
Graelam holte tief Luft. Im trüben Kerzenlicht glänzten seine Augen. Er hatte also richtig vermutet. Der Schweinehund hatte Kassia zu ihrem Vater zurückgebracht. Seine Stimme war kalt und drohend, als er fragte: »Wie seid Ihr an meinen Männern vorbeigekommen?«
»Einen Augenblick, Mylord! Ich bitte Euch, nicht nach Euren Männern zu rufen. Ich habe nicht den Wunsch, Euch das Schwert in den Leib zu jagen.«
Graelam ließ sein
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