Die Stimme des Nichts
wie hätte er es nicht tun können? Labil, wie er war, und gefährlich selbst für jemanden, den er sehr liebte, durfte er immer nur zeitweilig bei jemandem bleiben. Ansonsten war nicht abzusehen, welchen schrecklichen Einfluss er auf das Leben desjenigen haben würde.
Das Problem war, er wollte auf Claritys Leben nur zu gerne Einfluss haben und auch sein eigenes von ihr beeinflussen lassen. Er wusste nur nicht, wie das gehen sollte, ohne dass er ihr schadete. Wenn er nun sein Talent nicht mehr voll unter Kontrolle hatte, hatte er nicht das Recht, sie zu bitten, sich an ihn zu binden. Wer wollte schon mit einer biologischen Zeitbombe wie ihm zusammenleben? Mann, selbst jetzt im Traum, wo er sich an ihren Ausflug an den See erinnerte, an das sonnige Wetter und die blühenden Bäume und die kleinen Berührungen, selbst jetzt könnte er seine Empfindungen nach außen projizieren, wie es ihm in dem Einkaufszentrum in Reides passiert war. Aber wenn das so war, dann projizierte er wenigstens nicht das kosmische Böse. Was stattdessen, konnte er weder wissen noch vermuten, außer dass es nichts Schädliches war, soviel war ihm immerhin klar.
Auf jeden Fall konnte er nichts dagegen tun. So weit reichte seine Selbstbeherrschung nicht. Er schlief und träumte und konnte sich nicht selbst wecken. Er blieb ruhig, träumte von Blumen und weichem Bodenbewuchs und von Clarity Held.
Er erwachte auf einer Bank in Sphenes zu Recht berühmtem Kristallpark. Umgeben von Lichtreflexen und Regenbögen, lachenden Kindern und zufriedenen Eltern, setzte er sich auf und versuchte angestrengt, sich zu erinnern, was passiert war. Er war in seinem Hotelzimmer gewesen, das wusste er noch. Dann war eine Lieferung gekommen. Ein Päckchen. Hatte er es geöffnet? Ja. Und dann? Nichts.
Nein, das stimmte nicht ganz. Er konnte sich nicht entsinnen, eingeschlafen zu sein, aber er wusste, dass er geträumt hatte. Der Traum war ziemlich erotisch gewesen. Eine nette Abwechslung zu den häufigen Albträumen. Er hatte nicht einmal Kopfschmerzen.
Pip lag schlummernd am Ende der Bank auf einem alten Sack. Stirnrunzelnd beugte er sich zu ihr und musterte ihr Behelfsbett. Obwohl die Kunstfaser ungewöhnlich fest war, hatte der Sack am Boden ein Loch von der Größe eines Minidrachen. War sie darin gewesen? Wenn ja, schien sie das Erlebnis nicht erschüttert zu haben. Sie lag zusammengerollt und zufrieden mit angezogenen Flügeln in der Sonne.
Wie war er hier gelandet? Zählte jetzt auch schon Schlafwandeln zu den Umständen, unter denen seine unfreiwilligen Projektionen stattfanden? Selbst auf dem ruhigen New Riviera unterhielten die Behörden ein Netz von Überwachungsgeräten, um die öffentliche Sicherheit zu garantieren. Vielleicht hatte eines davon aufgezeichnet, was mit ihm passiert war.
Aufstehen, rief er Pip zu. Unter kurzem Geflatter der blau-rosa Flügel ließ sie sich auf seiner rechten Schulter nieder. Ein paar Kinder staunten lautstark und zeigten auf ihn. Er hatte keine Zeit, sie den Minidrachen streicheln zu lassen. Er hatte in das städtische Sicherheitssystem einzubrechen.
Ormann spürte, dass etwas schiefgelaufen war, als bei seiner Heimkehr keine Nachricht für ihn da war, weder eine verschlüsselte noch eine unverschlüsselte. Auch am folgenden Tag kam keine. Er rief Clarity an, um gezwungen heiter zu fragen, was sie am Abend vorhatte, und erfuhr, dass sie und ihr Freund schon wieder zusammen essen gehen würden. Während er seine Frustration verbarg, erzählte sie, dass sie während der Mittagspause mit ihm gesprochen hatte.
Also war der Bastard noch immer da und offenbar bei bester Gesundheit. Den restlichen Nachmittag brütete Ormann in seinem Büro, wandte sich kaum seiner Arbeit zu und wunderte sich, wie es zu dem Fehlschlag gekommen sein konnte. Die Männer, die er engagiert hatte, waren ihm als die besten ihres Fachs empfohlen worden. Wenn die versagt hatten, wen sollte er dann noch nehmen?
Aber wichtiger war die Frage, wie sie versagt hatten. Und was war aus ihnen geworden? Clarity hatte mehr als einmal angedeutet, dass an ihrem Freund mehr dran war, als man meinen wollte. Das bekam in diesem Zusammenhang einen unheilvollen Beiklang. Hatten seine Auftragnehmer beim Umgang mit dem Minidrachen nicht die gebotene Vorsicht walten lassen?
Dass Philip Lynx sich bester Gesundheit erfreute, war schon ein Schock für ihn gewesen, doch der vertiefte sich noch, als er erfuhr, dass Raubvogelgesicht und sein Kompagnon ebenfalls
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