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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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»Gott, ich hasse die Schwerkraft«, sagte sie. Sie hielt die Augen auf Steward gerichtet, während sie langsam herumrollte. »Wo willst du deinen Urlaub verbringen?«
    Sie hatten sechs Wochen Urlaub vor sich, in denen sie ihren bisher angefallenen Lohn ausgeben konnten. Die Besatzungen schossen von ihren großen Frachtschiffen stets in alle Richtungen davon, wie Schrapnelle von einer Granate.
    »Ich werd' 'ne Runde schlafen«, sagte Steward, »und dann darüber nachdenken.«
    »Worüber hast du die letzten zweiundfünfzig Tage denn sonst nachgedacht?«
    Steward schwebte von seinem Netz weg, dehnte die Muskeln und stieß sich zur Ausgangsluke hin ab. »Über meine Investitionen«, sagte er.
     
    Steward sah Reese nicht von Bord gehen, aber sie hinterließ ihm einen spöttischen Abschiedsgruß auf seinem Anrufbeantworter, dazu einen Börsentip, falls die Bemerkung über Investitionen ernst gemeint gewesen war. Ein alter Freund, dem sie auf der Station begegnet war, hatte davon gesprochen, daß die Aktien von Hellere Sonnen fallen könnten. Sie hatten bereits ein paar Punkte verloren, und Reeses Freund, ein leitender Angestellter im Transportbereich, hatte ihr erzählt, daß eine Charter-Fähre mit Managern der Polikorps, denen Hellere Sonnen eigentlich gehörte, mit stetigen 0,9 g nach Vesta unterwegs war. Reese gab ihm den Rat, auf Baisse zu spekulieren.
    Schnelle Arbeit, dachte Steward. Diese Dossiers hatten wahrscheinlich alle möglichen Fragen aufgeworfen, die sich darauf bezogen, warum Hellere Sonnen meinte, ein Militär zu brauchen. Steward kam zu der Überzeugung, daß Hellere Sonnen durchaus imstande war, ihre ganzen überschüssigen Gewinne in einer großen Dividende an ihre Aktionäre auszuschütten, nur um zu zeigen, daß sie sich gar keine Streitkräfte leisten konnten. Vielleicht war es ganz falsch, auf Baisse zu spekulieren.
    Steward schwebte zum Salon, um einen Ballon Kaffee zu trinken und sich ein Scan-Blatt von Charter auf den Schirm zu holen; er wollte sehen, welche aufregende Attraktionen die Station im Moment zu bieten hatte. Es schienen weitgehend dieselben zu sein wie vor sechs Monaten.
    Weil ihm die Muskeln immer noch von der Bremsphase weh taten, beschloß er, irgendwo eine ruhige Bar zu suchen und sich über einer Trauerweide mit dem Aktienmarkt zu befassen.
     
    Die Geräusche geschäftigen Treibens erhoben sich um ihn her, sobald er die Luftschleuse verließ, das zielgerichtete Getriebe des Lebens auf Charter. Die Schwerkraft war hier schwach, und überall tummelten sich Handelsfrachter-Besatzungen auf Landgang, die in einer fortwährenden, lärmenden Feier ihrer zeitweiligen Freiheit von Bar zu Hotel zu Bar sprangen. Brücken- und Todo-Musik prallte von Metallwänden zurück. Gelächter klang scharf durch die Luft.
    Das ging ihm zu schnell; Steward wollte sich etwas langsamer an das Leben auf der Station anpassen. Er trat auf ein Klettgleitband, das ihn zur ursprünglichen Mitsubishi-Spindel hinunterbringen würde. Ein Hirn-Superlader kam sirrend auf dem Gleitband nebenan vorbei. Über ihm leuchteten Hologramme, die für die Attraktionen der Station warben. Die Schwerkraft zog langsam durch ihn hindurch und wuchs, bis sie bei 0,9 g stehenblieb. Die Vesta-Reflexe funktionierten noch; Steward ertappte sich dabei, wie er aufmerksam nach vorn und nach hinten blickte und nach Gesichtern und Silhouetten Ausschau hielt. Er kam aus einem Tunnel heraus und sah einen gewölbten, stofflichen Himmel über sich. Das riesige Zelt war in Vierecke und Rechtecke aufgeteilt, die Tag und düstere Nacht spiegelten; da und dort leuchteten grüne Flecken. Bunte Ultraleichtflieger schwebten in einem Luftballett unter den polierten Spiegelstreben herum. So offene Wohnbereiche wurden heute nicht mehr gebaut. Steward trat vom Gleitband herunter und merkte, daß er nicht allein war.
    Er wurde verfolgt, und in seinen Nerven und in seinem Blut baute sich ein kaltes Summen auf; es klang wie das Summen von Charter, ein Ton, der besagte, daß etwas geschah. Es war wenigstens ein Schatten, ein mittelgroßer Mann in einer dunkelblauen Jacke mit Reißverschluß. Reißverschlüsse waren ein Zeichen dafür, daß jemand von der Erde kam: Menschen, die im Raum lebten, zogen normalerweise Klettstreifen vor, die nicht klemmen oder irgendwo hängenbleiben konnten.
    Steward lächelte. Die Vesta-Reflexe funktionierten noch, aber das hier war nicht Vesta; dies war kein feindliches Gebiet mehr.
    Er bemerkte eine Bar an der Ecke, einen

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