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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Polikorp-Wertpapiere.
    Er kam in Berührung mit den Dingen. Mit Aktien, Geld, all dem, was sein Deal mit Griffith umfaßte.
    Es war ein seltsames Gefühl, irgendwie unwirklich. Er war noch nie zuvor reich gewesen.
    Er ging ins Andock-Cockpit hinauf und schaute durch die gepanzerte Kuppelhaube in das bestirnte Universum hinaus. Die Sterne schienen jetzt näher zu sein. Er spähte nach vorn, fand die Erde und Luna, die weiß und grau vor dem diamantenen Hintergrund schimmerten und beide von ihren Konstellationen industrieller Sterne umgeben waren, und dachte für einen Augenblick an Neue Menschheit, wo Natalie lebte, und wie nahe der Satellit bei Charter lag, hundert Dollar mit der Intraorbital-Fähre.
    Erinnerungen kamen in ihm hoch, Gelächter, ferne Musik, geschmeidige Haut. Ein Körper in einem langen, kontrollierten Fall durch einen leeren Tunnel. Ein Phantomgeschmack, den er nicht vergessen konnte.
    Eine Frage kam zugleich mit den Erinnerungen. Er verfügte jetzt über Wissen, ein Wissen, das er mit Schmerz und List erkauft hatte. Es brachte ihn näher an sein Ziel heran. Aber er fragte sich, ob das Wissen bedeutete, daß er handeln mußte, ob die Tatsache, daß er sich seinem Alpha näherte, ihn irgendwie verpflichtete, die Arbeit des Alphas zu beenden.
    Es klopfte an die Schleusentür hinter ihm. Ein Stück Höflichkeit, falls er hier irgendwas Seltsames tat, in der samtigen Dunkelheit schwebte und den Akt von Onan vollzog oder so etwas. Er streckte die Hand von der Liege aus und drückte auf die Intercom-Taste. »Herein.«
    Es war Cairo, eine Flasche Wodka mit Pfeffergeschmack in der Hand. Die Tür glitt zischend hinter ihr zu. Sie sah ihn mit ihren dunklen Augen an und fragte geradeheraus: »Haben Sie seelische Probleme, Steward?«
    Er grinste. »Kann ich nicht gerade behaupten.«
    Weiches Sternenlicht blinkte in den Diamanten auf ihren Wangenknochen. »Schade«, sagte sie. »Ich stelle oft fest, daß Leute hier heraufkommen, um sich die Sterne anzusehen, wenn sie seelische Probleme haben.« Sie schnallte sich auf der anderen Liege fest und sah hoch. »Ich bin hier oben geboren, Mann von der Erde.« Sie legte den Kopf in den Nacken und ließ den Blick über die stille, ehrfurchtgebietende Sternenlandschaft mit ihren kalten und stetigen Lichtpunkten schweifen.
    »Was halten Sie von meiner Heimat?« fragte sie.
    Gedanken an Natalie rieselten über seine Haut. Dies war jetzt auch ihre Heimat. »Ich finde, sie bietet Möglichkeiten«, sagte er. »Aber es gibt da Probleme mit der Größenordnung.«
    Sie bot ihm den Wodka an, und er lehnte ab. »Das ist eine Frage der Perspektive, Mann von der Erde«, sagte Cairo. »Man muß sich an das große Bild gewöhnen, wenn man in diesem Leben vorankommen will.«
    »D'accord.« Steward fand, daß seine Perspektive ganz in Ordnung war. In seinen Ohren sang eine Erinnerung. Es war eine Erinnerung, über die er später eine Entscheidung treffen mußte – er würde ihr freien Lauf lassen oder sie irgendwie austreiben müssen. Aber jetzt schien sie das zu sein, was er brauchte.
    In der stillen Dunkelheit sang die Erinnerung weiter.
     

12
    Bilder glommen in Stewards Geist. Ein Kabelbündel streifte seine Wange. Er steckte es in seine Klemme zurück, und es rutschte wieder heraus.
    »Energiekupplung der Station eingerastet«, meldete Cairo. »Alle Anzeigen grün.«
    »SCHIFF ABSCHALTEN.« SuTopos Stimme kam mit überwältigender Klarheit über Stewards Interface-Scheibe und ging direkt und sehr laut in die Hörnerven, fast schon ein Eindringen in seine Privatsphäre. Steward zuckte zusammen. Das Kabel berührte ihn erneut.
    »Vier-A und Sieben an«, sagte Steward. Sein Geist übernahm das Kommando über das Audiosystem und drehte die Lautstärke herunter. »Umschalten auf Stationsenergie.«
    Reese streifte bereits ihr Gurtnetz ab. »Indischer Ozean diesmal, Kumpel«, sagte sie. »Kenia, die Seychellen, Westaustralien. Vielleicht das Barrier Reef zum Nachtisch. Ich werd' mindestens die Hälfte meiner Zeit unter Wasser verbringen.« Sie sah ihn anzüglich an. »Du darfst nicht mit«, sagte sie.
    Er zog die Interface-Plastikscheibe von seinem Warzenfortsatz. »Na fein, Billie«, sagte er. »Ich hab' dich auch satt.«
    Reese grinste ihn an. »Soll keine Beleidigung sein.«
    Steward grinste zurück. »Hab' ich auch nicht so verstanden.«
    Reese schwebte aus ihrem Netz heraus und schlug einen unbeholfenen Purzelbaum, der von angespannten Muskeln und schmerzenden Knochen zeugte.

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