Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
Vom Netzwerk:
zurück, aber nun war er rebellisch und beschloß, keine Makkaroni mit der vermaledeiten Blechschaufel mehr zu schöpfen, und trat der Falange und ihren Aktionsgruppen bei, ohne seiner Familie etwas davon zu sagen; wahrscheinlich sehnte er sich nach der Uniform, die ein namenloses Mädchen aus Vinebre zum Erbeben gebracht hatte. Zu dieser Zeit beschloß er auch, daß ihm die Narbe ein separatistischer Roter beigebracht hatte, der nicht lange genug überlebt hatte, um sie zu sehen und davon zu berichten, weil er selbst, rasend vor Wut, ihm mit dem Bajonett die Augen ausgestochen hatte. Und der Führer der Hundertschaft sagte: »Sehr gut,Jacinto, du machst das ausgezeichnet. Das ist die Wut, die wir in uns tragen müssen.Verstanden, Kameraden? Versteht ihr, was ich von euch will?« Jacinto Mas, der vollkommen verstand, ließ sich einen schmalen, dunklen Oberlippenbart stehen. Er lernte, hart dreinzublicken, und als nach Freiwilligen für einen Trupp gesucht wurde, der für ein paar Monate fern der Heimat, in Katalonien, unerwünschte Elemente ausschalten sollte, meldete er sich. Er wurde nicht ausgewählt; statt dessen schickten sie ihn nach San Sebastián, und dort trat er als persönliche Eskorte in den Dienst einer frisch verheirateten jungen Frau, die nach Hause zurückwollte. Natürlich war es heldenhafter, einem Trupp von Mördern anzugehören, aber der Lohn, den man ihm bot, um als Eskorte, Chauffeur und was auch immer zu dienen, war beeindruckend, und er nahm ohne zu zögern an. So kam Jacinto Mas zum ersten Mal als Fahrer des Wagens von Senyora Elisenda Vilabrú nach Torena. Er war effektiv, hart, schweigsam, tapfer, treu, und sie sagte ihm, »Sehr gut, Jacinto, du machst das ausgezeichnet«, und von Zeit zu Zeit zahlte sie ihm ein großzügiges Sondergehalt, vor allem, wenn etwas geschah und er ungerührt blieb.
    »Als er in Rente gegangen ist, hat er gesagt, er würde ums Verrecken nicht nach Huesca zurückgehen. Deshalb hat er mich gefragt, ob er nach Zuera kommen könnte, und ich habe ihm gesagt, na klar. Und hier ist er dann gestorben, ja.
    Nein. Er ist Gärtner geworden. Mit dem Geld, das man uns gegeben hat, haben wir ein Gartengeschäft aufgezogen. Ich kann nicht klagen.
    Na, hören Sie mal, schließlich war er mein Bruder …
    Sind Sie von der Polizei?
    Und warum stellen Sie dann diese Fragen? Warum wollen Sie lauter Sachen wissen, die schon so lange her sind?
    Und was soll ich mit so einem blöden Foto anfangen?
    Nein. Mein Bruder ist neunzehnhundertsechsundsiebzig gestorben. Das ist jetzt mehr als fünfundzwanzig Jahre her, Senyora!
    Ein Herzinfarkt in einer Bar in Zuera, ja.
    Was meinen Sie damit, warum ich das so zögerlich sage? Weil die Polizei nichts von einem Kerl wissen wollte, der sich lange mit ihm unterhalten hat und dann verschwunden ist, eine Minute, bevor er gestorben ist. Das erzählt jedenfalls Carreta von der Bar.
    Ja, siebenundfünfzig Jahre.
    Am Anfang ja. Aber dann dachte ich, wer weiß, er hatte sich wohl viele Feinde gemacht, vor allem, als er in Huesca in die Falange eingetreten ist, und dann, als er alle möglichen merkwürdigen Aufträge für die Senyora erledigt hat.
    Das weiß ich nicht. Er hat nie darüber geredet, aber ich denke, er hat aus nächster Nähe miterlebt, wie einige Leute gestorben sind.
    Weil er im Schlaf geredet hat. Irgendwas von einem, den sie an einem Feigenbaum aufgeknüpft haben. Damals, zu jenen Zeiten … Aber mehr weiß ich nicht darüber.
    Ja, vielleicht ist es besser, die Geschichte auf sich beruhen zu lassen. Als ich meine Anzeige zurückgezogen und darauf verzichtet habe, daß wegen seines Todes ermittelt wird, habe ich von einem unbekannten Gönner einen Scheck erhalten.
    Natürlich habe ich ihn angenommen. Das ist Geld so gut wie jedes andere.
    Nein, ich habe nicht vor, nach Huesca zurückzukehren. Ich bin jetzt hier in Zuera zu Hause.
    Sort? Da bin ich noch nie im Leben gewesen.
    Nein.Wenn er irgend etwas Übles getan hat … dann dort. Hier hat er bloß tropische Pflanzen gezüchtet, und er hatte eine Geranien- und Begonienzucht, die war einfach traumhaft. Ja, hier in Zuera.
    Das waren die Umstände. Es war zur Rettung des Vaterlandes.
    Ja, ja, die Jugend glaubt an nichts mehr. Aber ich schon. Und mein Jacinto erst recht.
    Das läßt sich heute nicht mehr beweisen. Er ist an einem Herzinfarkt gestorben und fertig.
    Nein. Manchmal eine Depression. Und dann mußte ichihm sagen, sehr gut, Jacinto, du machst das ausgezeichnet. Das hat ihn immer

Weitere Kostenlose Bücher